Wall Erstausgabe
zur befestigten Siedlung der Bronzezeit bei Bernstorf / Kranzberg
von 
Manfred Moosauer, Traudl Bachmaier,
Rupert Gebhard und Franz Schubert

Erste Seite

Topographie

Wallverlauf

Erste Beschreibung 
durch Josef Wenzel

Konstruktion der 
Befestigungsanlage

Rekonstruktionsvorschlag

Die Funde und
die Zeitstellung

Kalibriertes Alter

Fotos: 
Skizze v. Wenzl Abb. 1

Karte 1957

 

Vorbericht zur Grabung 1995-1997

Bei der Suche nach Eisenverhüttungsplätzen stießen Manfred Moosauer und Traudl Bachmaier am Rande einer Kiesgrube nahe des Gutshofes von Bernstorf auf zusammengebackene, rot verfärbte und zum Teil glasig verschlackte Sande. Die Schlacken stammen aus einer 30 cm dicken und 3-4 m breiten Schicht unterhalb der Humusdecke. Zur Klärung der Situation wurde von H. Becker eine Magnetprospektion durchgeführt und anschließend nahe des Kiesgrubenrandes eine etwa 130 m2 große Fläche ausgegraben. Die Grabung wurde von Herrn Dr. med. Manfred Moosauer unter Mitarbeit von Traudl Bachmaier geleitet. Die Grabungsteilnehmer stammten aus der Gemeinde Kranzberg und Haimhausen. Unterstützung erfuhr die Grabung durch die Gemeinde Kranzberg und Bürgermeister M. Ankner, Archivar A. Berger, Familie Braun und Familie Adidinger. Für Genehmigung und Betreuung der Grabung ist Herrn Dr. E. Keller, Dr. St. Winghart, Dr. M. Pietsch und Herrn Dr. H. Becker vom Bayer. Landesamt für Denkmalpflege zu danken. Die stark verschlackte Zone im Boden zeigte sich danach als Nord-Süd verlaufendes Band, das zum Teil stark mit verkohlten Balkenreste durchsetzt war. Für den ungewöhnlichen Befund konnte zunächst keine Erklärung gefunden werden. Erste naturwissenschaftliche Untersuchungen der Schlacken ergaben jedoch einen sehr geringen Eisengehalt, weshalb Eisenverhüttung ausgeschlossen werden konnte. Parallel zur Grabung wurden umfangreiche naturwissenschaftliche Untersuchungen eingeleitet, die in der Abschluß-Publikation ausführlich dargestellt werden - Geologie: Dr. H. Unger, Prof. Dr. D.D. Klemm, Dr. P. Kresten; botanische Bestimmungen: Prof. Dr. A. Selmaier; Thermolumineszenzuntersuchungen: Dr. Chr. Goedicke; Radio-karbondatierung: Prof. Dr. M.A. Geyh; Bemsteinuntersuchung: Dipl.-Ing. G. Heck; Mössbauerspektroskopie: Dr. U. wagner. Beim Putzen des Profils der Kiesgrubenwand konnte 1996 die schwache Verfärbung eines Grabens beobachtet werden. Damit war sicher, daß es sich bei dem Befund wohl um die Reste einer abgebrannten Befestigungsanlage handelte. Daraufhin eingeleitete Recherche ergab, daß diese Befestigung seit Beginn dieses Jahrhunderts bekannt ist. 

 Topographie

Der Bernstorfer Berg ist eine spomartige Ausbuchtung des tertiären Hügellandes, die sich auf eine nahezu quadratische Fläche verbreitert. Er überragt den östlichen Randsaum des Amperufers heute um 55 Meter. Die gegenwärtige Topographie ist durch den von Norden eingreifenden Kiesgrubenbetrieb stark verändert. Etwa drei Viertel des ursprünglichen Siedlungsareals fehlen heute. Direkt am Steilabhang zur Amper beginnt ein frühmittelalterlicher, hufeisenförmiger Abschnittswall, der den höchsten Bereich des Berges befestigt. Dieser Wall wird in den einschlägigen Geländedenkmälerverzeichnissen aufgeführt. F. weber, Die vorgeschichtlichen Denkmale des Königreiches Bayern. 1. Bd. Oberbayern (München 1909)13: Mit der Bezeichnung ,,Erdwerk" könnte die bronzezeitliche Anlage gemeint sein.
In Vergessenheit geriet dagegen die weit größere prähistorische Anlage
 

 

Wallverlauf

Der Verlauf des Walles läßt sich heute nach den Ergebnissen der neueren Grabungen, Aussagen von am Kiesabbau beteiligten Personen sowie den noch im Gelände erhaltenen Spuren wie folgt rekonstruieren (Abb. 2)Karte 1957: Die westliche Begrenzung der Siedlung bildet der Steilabhang der Amper. Die Hangkante ist im Bereich des hufeisenförmigen, mittelalterlichen Abschnittswalles künstlich abgearbeitet mit Resten einer kleinen Berme etwa 3 m unterhalb des Plate aus. An der Stelle, an der der Abschnittswall im Norden auf die Hangkante trifft, ist eine Überschneidung mit einem stark verflachten älteren Wall mit Graben erkennbar. Dieser setzt sich etwa 50 m nach Norden fort und knickt dann nach Nordosten ab. Nach etwa 50 m trifft der Wall/Graben auf einen modernen Weg. Am Anschnitt finden sich rot verziegelte Schlacken. Jenseits des Weges sind bis zur Aufschüttung des Deckhumus der Kiesgrube auf wenigen Metern noch geringe Spuren des Walles/Grabens erhalten.
In Richtung Osten ist der Wall/Graben auf einer Länge von 450 m durch den Kiesabbau zerstört. Bei einer Ortsbesichtigung, veranlaßt durch P. Reinecke, beschreibt K. Schwarz diesen Bereich: ,,Am 15.10. besichtigte ich unter Führung von Herrn J. Haslberger die Befestigungsanlage. Sie liegt auf dem Bergsporn 1500 m südlich des Pkt. 441,2 bei Göttschlag (Karte 1:50 000 Blatt 70 Ost). Es handelt sich um einen auf der Stirn des Berges mächtigen hufeisenförmigen Wallgraben, wohl frühgeschichtlichen Alters. Etwa 300 m östlich davon bemerkt man an der Nordseite des Rückens und unmittelbar oberhalb der betriebenen Kiesgrube Reste eines randlichen Walles, an dessen Anschnitt rot gebrannte Lehmbrocken kenntlich sind. Es handelt sich dabei aber offenbar nicht um geformte Ziegel" Ortsakten Lf[) Aktenverrnerk P. Reinecke vom 29.8.1957 und K. Schwarz vom 15.10.1957.
Angestellte des Kieswerkes erinnern sich, daß gleich unterhalb der Humusschicht immer wieder Holzreste und Schlacken waren, was sie damals veranlaßte, von einer niedergebrannten ,,Römermauer" zu sprechen.  Befragung von Herrn Planierraupenfahrer Ortner durch M. Moosauer am 8.8. und 24.8.1997 mit Ortsbegehung. Nach der Skizze von Joseph Wenzl folgt die Befestigungsanlage der Hangkante bis zur damaligen Waldgrenze und biegt dann nach Süden ab.
Der Nord-Süd verlaufende Abschnitt ist durch die Grabung und die Magnetprospektion  Die Ergebnisse der Magnetprospektion werden zusammen mit allen anderen naturwissenschaftlichen Beiträgen ausführlich im Abschlußbericht dargestellt  auf einer Länge von 120 m nachweisbar. Er steigt bis zum höchsten Punkt des Geländes an und knickt wohl südlich des Weges wieder nach Westen ab. Die genaue Lage der Südostecke soll durch eine erneute Magnetprospektion abgeklärt werden. Der Graben vor dem Abschnittswall wurde in diesem Bereich erst zwischen 1960 und 1970 verfüllt Auskunft von Herrn Ortner. Etwa 10 m westlich des Wegknickes wurde der Wall am Waldrand bei einer Planierung 1997 erneut angeschnitten. Er liegt dort an der Kante einer natürlichen Sandrippe, deren Verlängerung nach 400 m auf die südöstliche Ecke des mittelalterlichen Abschnittswalles trifft. Begehungen in dem abfallenden Gelände südlich und südöstlich des mittelalterlichen Abschnittswalles erbrachten bislang keinerlei Spuren weiterer Befestigungsanlagen. Es ist wahrscheinlich, daß sich der bronzezeitliche Wall unter dem südlichen Abschnitt des mittelalterlichen Walles fortsetzt.
Die noch heute feststellbaren Spuren des Walles/Grabens bestätigen den von Wenzl in einer Skizze festgehaltenen Wallverlauf (Abb. 1). Die Anlage befestigte den Bergsporn
 

Erste Beschreibung durch Josef Wenzl

In Vergessenheit geriet dagegen die weit größere prähistorische Anlage. Deren erste Beschreibung verdanken wir Josef Wenzl.  Josef Wenzl, Tagebuch aus dem Besitz der Familie Der Sage einer ,,versunkenen Stadt zwischen Tünzhausen und Kranzberg" nachgehend, beschrieb und vermaß er die Anlage erstmals im Jahre 1904: ,,Die Schanze ist durchwegs Erdwerk und zeigt gegen das Hügelende bei Bernstorf deutlich den Abschnittswall mit Graben. Auch senkt sich überall tiefer Graben, wo das Terrain es ermöglicht. Nur an dem Steilabsturz hat sie Wälle, die auf der innersten Tiefe sehr niedrig sind. Auf der rückwärtigen Verbindungsfläche liegt innerhalb der Schanze eine Art von Citadelle. Dieses Terrain ist bedeutend höher als der weiter nach vorn gegen die Enden der Hügelspange liegende Teil".Abb. 1Skizze J. Wenzl 1905 zeigt eine Skizze Wenzls, auf der die damalige Situation festgehalten ist. Bei seinen Besuchen der Schanze fielen Wenzel bereits Schlacken im Bereich des großen Grabenwerkes auf: ,,NÖ von der Schanze liegt an der Bekrönung der Hügelränder und an deren Absturz gegen die Amperniederung eine Anzahl von Stellen, die geradeso wie die heute untersuchte eine Anzahl von Häufen von rot gebrannten Lehmstaken aufweisen, darunter auch wieder große Stücke, die die Abdrücke von Baumrinde oder dergleichen aufweisenJ. Wenzl, Tagebucheintrag vom 12. Juli 1905.  ,,Gegen das Ampertal stürzt der Steilhang jäh ab, dort hat er einen stumpfen Winkel. In diesem Winkel sind zwei Trichtergruben, beide unmittelbar am Wallrand. Die eine der beiden (die kleinere) zeigte vor Ort gebrannte Ziegelstücke (oder besser gebrannte Lehmerde)" J. Wenzl, Tagebucheintrag vom 21. Juli 1904In den Trichtergruben beobachte Wenzel eine Schichtung, die sich mit der unten beschriebenen Situation in der Grabung deckt: ,,Eine merkwürdige Bedeckung des Bodens mit gebrannten Lehmziegeln zeigt sich. Diese scheint sich der Neigung der Trichtergrubenwand anzupassen, aber in der Weise, daß sie in Stufen abwärts steigt, etwa in folgender Art: Die Schicht ist stärker gebrannt, zeigt allenthalben die Eindrücke von vielen Blättchen, von den Balken, Baumrinde usw., stellenweise ist diese Schicht 30-40 cm stark. Unter ihr liegt ein Besatz 10 cm starker Kulturschicht von schwärzlicher Erde. Ab und zu mit schwachen Holzkohleresten dazwischen. In dem innersten Kessel der Grube ist ganz feiner Wassersand eingelagert in einer Stärke von etwa 25 cm. Die Untersuchung hatte der Bäume wegen nur in einem halbkreisförmigem Graben vorgenommen werden können. Stellenweise sind die Lehmstücke von schwarzen Bändern durchsetzt. Diese Erde ist gebrannt wie Bimsstein. Hier ist ein Band von Sand, durch Hitze verglaster Stein. Daher ist das Material hier bimssteinähnlich. Ebenso merkwürdige Stellen mit Ziegeltrümmern, auf denen Abdrücke von Laub und Holz zu sehen sind, fanden sich noch an 4-5 Stellen am Rande des Hügelzugs gegen die Amper. Ist das Ganze ein Palisadenwerk, das sich (hier) anschmiegt?  J. Wenzl, Tagebucheintrag vom 28. Juli 1905

Konstruktion der Befestigungsanlage
Pfostensetzungen

Der Aufbau der Befestigungsanlage konnte durch eine sorgfältige Freilegung auf einer Fläche von 130 m2 untersucht werden. Dabei bereitete die Schlackenversturzzone Probleme. Da die Schlacken zahlreiche Balkenabdrücke aufwiesen, darunter zum Teil auch Konstruktionsdetails wie Überlagerungen von Balken, mußte die gesamte Schlackenschicht herauspräpariert werden. Dies erschwerte zunächst den Überblick über die Gesamtstruktur. Abb. 3Pfostensetzung zeigt eine schematische Zusammenstellung der Pfostensetzungen. Zugleich ist der Verlauf der darüberliegenden Schlackenzone mit den größeren Konzentrationen verkohlter Balken eingezeichnet. Hinter der Mauerfront befindet sich eine Reihe von tiefen (>70 cm) Pfosten in annähernd regelmäßigen Abständen von etwa 3,5 m. Mit dieser Pfostenreihe korrespondiert im Abstand von 3-3,5 m eine zweite Reihe geringer eingetiefter Pfosten, die die innere Begrenzung der Mauer darstellt. Eine große Zahl kleiner (Durchmesser <10 cm), in den anstehenden Boden gerammter Pfosten im Südteil der Grabungsfläche sollte offenbar den in diesem Bereich stärkeren Geländeanstieg vor dem Abrutschen absichern. Bei 8 m nördlich des lokalen Meßnetz-Nullpunktes wurde eine außergewöhnlich tiefe Pfostengrube aufgedeckt. Deren Sohle lag etwa 200 cm unter der heutigen Oberfläche, der Grubendurchmesser betrug 30 cm. Der darin eingetiefte Balken hatte vermutlich eine besondere Bedeutung (Signalpfahl oder Kultpfahl?).

Querprofil durch den Wall (Abb. 4 A)

In der Grabung wurden zur Klärung von Konstruktionsdetails mehrere Profile gelegt. Die stratigraphischen Verhältnisse sollen hier an einem durchgehenden Querprofil sowie an einem Längsprofil erläutert werden.
Unter einer 20-30 cm dicken Humusdecke, die vor Beginn der Grabung durch den Bagger entfernt wurde, liegt ein bis zu 40 cm mächtiges Schichtpaket aus verbranntem bis glasig verschlacktem Schluff. Die am stärksten verglaste Zone befindet sich in Richtung der Wallfront. Zum Siedlungsbereich hin sind keine Glasschlacken vorhanden. Die Brandschicht besteht hier im wesentlichen aus rot verfärbtem Schluff.
Unter der Schlackenschicht befindet sich ein bis zu 10 cm dickes Holzkohleband. Darunter konzentriert sich feine Asche, die bis zu 30 cm in den gewachsenen Boden infiltriert sein kann.
Auffällig ist das Fehlen eines alten Humus. Dieser wurde offenbar beim Bau der Anlage bis auf den gewachsenen Boden entfernt.

Querprofile durch den Graben (Abb. 4 B-C)
Abb. 4B  QuerprofilAbb .4C  Querprofil durch den Graben
Der Graben wurden insgesamt an vier Stellen geschnitten. Der Graben beginnt 5 m vor der Wallfront. Die Grabenbreite beträgt 8 m. Die Füllung des Grabens besteht im oberen Teil aus anstehendem Schluffmaterial. Dieses Material wurde in den 60er Jahren bei der Planierung des Geländes eingefüllt. Unterhalb zeichnet sich eine mit Holzkohle und wenigen Schlackebrocken verfüllte Schicht ab, die nach der Zerstörung der Wallanlage durch Erosion entstand. Als typisches Erosionsmerkmal kann auch die an der Westseite im Graben beobachtbare, durch Hangrutsch enstandene Stufe bezeichnet werden. In einem zweiten Schnitt durch den Graben (Abb. 4 C) ist besser erkennbar, daß die Grabenform zur Sohle hin spitz zuläuft.
A- Querprofil durch den verbrannten Wall. Zur Lage des Querproflis vergl. Abb. 3.   Die Humusdecke wurde vor der Grabung maschinell entfernt.    B - Querprofil Nr.5 durch den Graben. Das Profil liegt 5 m östlich der Fläche des Planums, vergl. Abb. 3. C - Querprofil Nr. S2 durch den Graben. Die Humusdecke wurde vor Beginn der Grabung maschinell entfernt.
Längsprofile

Das Längsprofil (Abb. 5) schneidet den Wallkörper ganz an dessen Innenseite. Die randliche Lage bedingt, daß sich dort keine Ascheninfiltrationszone unter der Brandschicht erhalten hat. Deutlich sichtbar ist der Hanganstieg nach Süden, der durch zahlreiche kleine, durch den Brand inkohlte Pfosten gegen ein Abrutschen gesichert wurde. Ein weiteres Profil wurde 1,5 m östlich angelegt. In diesem Bereich zeichnen sich bereits deutlich die Querhölzer des Balkenwerkes ab, das den Wallkörper bildet. Die Schichtenabfolge der Längsprofile entspricht der Beschreibung des Querprofils in der Abfolge von oben nach unten: Humus, Glasschlacken, Holzkohleschicht mit verbrannten Balkenresten, Ascheschicht, Infiltrationszone der Asche im gewachsenen Boden.

Konstruktionsdetails und Rekonstruktionsvorschlag

Die Konstruktion der Anlage läßt sich anhand der oben beschriebenen Profile, mehrerer Detailplana und der Informationen, die die Holzabdrücke auf den verglasten Schlacken bieten, abklären. Die untersuchten Hölzer waren ausschließlich aus Eiche.
Abb. 6  Details aus der Balkenschicht.zeigt Auschnitte aus der verkohlten Balkenschicht. Die Balken wurden in einem engen Gitterraster verlegt. Der Balkenabstand betrug zum Teil nur 25 cm. Im Bereich der Grabung konnten noch drei Balkenlagen verkohltes Holz beobachtet werden. Die verglasten Schlacken mit Balkenabdrücken stammen aus einer darüberliegenden Zone. Die geringe Stärke der verglasten Lehmschicht spricht dafür, daß der Wall nicht aus einer massiven Erdaufschüttung bestanden haben kann. Man muß davon ausgehen, daß die gesamte Mauer im Inneren aus einem engen Holzgerüst mit Hohlräumen gebaut war. Das Lehmmaterial diente als Überdeckung der Mauer bzw. wurde als Lehmverputz an der Mauerfront aufgetragen.
An der Mauerfront konnten verschiedene Details beobachtet werden. Das Stützgerüst der Mauerfront bilden senkrechte, tief in den Boden eingelassene Pfosten. Vor diesen Pfostenkonnte ein direkt auf dem gewachsenen Boden aufliegender Längsbalken nachgewiesen werden. Auf diesem Längsbalken wurden Querriegel (Anker) gelegt, auf denen im Inneren der Mauer das Holzgerüst auflag. Die im Querprofil sichtbare Vertiefung im Bereich des Balkenrostes (Abb. 4 A) kann darauf hindeuten, daß sich unter den Ankerbalken ein Hohl
raum befand. Zwischen zwei der Frontpfosten haben sich Reste vom Lehmverputz erhalten. Dieser ist zwischen den Pfosten leicht zurückversetzt, die Pfosten selbst umkleidete er. Der zurückversetzte Teil des Lehmverputzes lag direkt an der Stirnwand des Balkenrostes. Mehrere der Abdrücke auf den verglasten Schlacken stammen aus diesem Bereich. Besonders bemerkenswert sind solche verschlackte Stücke des Lehmverputzes, bei denen sich auf der Innenseite übereinander die Abdrücke von Längs- und Querhölzern erhalten haben.
Der Bau und der Brand der Mauer lassen sich nach den Grabungsergebnissen folgendermaßen rekonstruieren (Abb.7Wall rekonstruiertRekonstruktionsvorschlag zum Aufbau der Holzmauer. Entlang der Bautrasse wurde zunächst der Humus bis auf den anstehenden Boden entfernt, und der Graben wurde ausgehoben. Nach dem Setzen der Frontpfosten und der hinteren Pfostereihe wurden der Längsbalken und die Ankerbalken am Boden verlegt. Der Mauerkörper wurde durch Aufschichtung eines Holzrostes gebaut. Die Balken der Mauerfront waren vermutlich so hoch, daß die Anbringung einer Brustwehr möglich war. Abschließend wurde die rückwärtige Rampe überdeckt und die Front mit Lehmmörtel verstrichen. Der gesamte Mauerring brannte vollständig ab. Das Brandgeschehen wurde durch den Holzrost im Inneren der Mauer stark beschleunigt. Durch Schwelbrand bildete sich Holzkohle, die eine extreme Temperaturbildung ermöglichte. Die Bestimmung der maximalen Brandtemperatur an den verglasten Schlacken ergab Werte bis 1350 °C.
Mauern, die im Kern einen Holzrost enthalten, sind bislang aus Süddeutschland nicht bekannt geworden. Von der Konstruktion vergleichbar ist die spätbronzezeitliche Anlage von Podrosche, Bez. Kottbus12.12 J. Herrmann s.v. Podrosche in: Ders. (Hrsg.), Archäologie in der Deutschen Demokratischen Republik (1989) 451ff.; 115 Abb. e. Erwähnt werden müssen an dieser Stelle auch der sogenannte Rote Wall von Sopron, der zwar wesentlich jünger ist, jedoch ein anschauliches Beispiel für die Konstruktion liefert G.Y. Noväki, Zur Frage der sogenannten ,,Brandwälle" in Ungarn. Acta Arch. Academiae Scientiarum Rungaricae 16.1964,99-149. Sucht man nach Vergleichen, so liegt mit Blick auf die sogenannten ,,Schlackenwälle" nahe, daß deren Entstehung fast durchwegs auf einen hohen konstruktiven Anteil von Holz zurückzuführen ist.  Zusammenfassend: P. Kresten, Hill-forts with vitrified or calcined ramparts: Index and reference list. - Research report R02- 1996. Geoarchaeological Laboratory Uv-Uppsala.

Die Funde und die Zeitstellung der Befestigungsanlage

Im Bereich des Walles befanden sich nur wenige Funde. Die grob gemagerte Keramik ist bronzezeitlich. Fragmente von zwei Gefäßen sind mit gegenüberstehenden schraffierten Dreiecken (Sanduhrmuster) bzw. verzahnten Dreiecken verziert, Verzierungsarten, die in der mittleren Bronzezeit belegt sind. H. Koschick, Die Bronzezeit im südwestlichen Oberbayern. Materialheft. Bayer. Vorgesch. 50 (1981) Taf. 26,3.6; 27,6. An Kleinfunden sind ein Klopf- und ein Reibstein sowie verschiedene Silices erwähnenswert. Herausragend ist ein durchbohrtes, 5 cm langes Bernsteinstück. Nach der Bestimmung von R. Heck handelt es sich um baltischen Bernstein, wahrscheinlich aus dem Bereich von Usedom. Bronzefunde wurden während der Ausgrabung nicht gemacht. Aus der Zeit des Kiesabbaus gibt es jedoch zahlreiche Berichte über Bronzefunde, die zur Zeit allesamt verschollen sind.
Gegenwärtig sind noch zu wenige Funde vorhanden, um die Fundstelle präzise datieren zu können. Die meisten Anhaltspunkte sprechen für eine Datierung in die mittlere Bronzezeit. Um die chronologische Einordnung präzisieren zu können wurden verschiedene naturwissenschaftliche Datierungen veranlaßt. An drei Scherben wurden Thermolumineszenzdatierungen vorgenommen. Als mittleres Datum ergab sich 1560 v.Chr. (±83, ± 228). Von drei Holzkohleproben liegen 14C-Daten vor:
 
Labor - #  Konventionelles
14C-Alter (vor 1950)
Kalibriertes Alter v. Chr.
19879 3300±65 1675-1510
20712 3170±70 1515-1330
22189 3200±55 1515-1410
Die Probe 19879 ist eine Mischprobe von verkohlten großen Balkenstücken aus den oberen Schichten, die Probe Nr.20712 gehört zu einem Frontpfosten. Die Probe 22189 stammt von einem 10 cm dicken Aststück. Diese Probe stammt aus dem eingangs erwähnten Wallanschnitt von 1997, 10 m westlich des Wegknickes.
Faßt man die gegenwärtigen Anhaltspunkte für eine Datierung der Holzmauer zusammen, so ergeben die naturwissenschaftlichen Datierungen eine mögliche Zeitstellung etwa um den Beginn der Mittelbronzezeit, die archäologischen Funde weisen allgemein auf eine mittelbronzezeitliche Zeitstellung hin.

Beurteilung der Fundstelle

Die befestigte Siedlung von Bernstorf liegt in einer nahezu unerforschten Siedlungskammer, deren einstige Bedeutung sich an den zahlreichen Grabhügeln in unmittelbarer Umgebung ablesen läßt. Im Umkreis von 8 km finden sich mehr als zehn, zum Teil größere Grabhügelgruppen (Tünzhausen, Kranzberg, Leonhardbuch, Pelka). Insbesondere in der Nekropole von Pelka befinden sich Grabhügel mit Durchmessern von über 20 m. Mittelbronzezeitliche Funde, eine Nadel, ein Schwert und ein Dolch stammen vom Bau der Autobanhnbrücke über die Amper 1937 bei Thurnsberg, 4 km südlich unserer Fundstelle. Prähistorische Staatssammlung München Inv. 1937, 36-37 (Schwert und Dolch); 1940, 5 (Nadel). Zum Schwert vgl. P. Schauer, Die Schwerter in Süddeutschland und der Schweiz I(1971) 66, Nr.218. Obwohl von den Grabhügeln keine offiziellen Grabungen vorliegen, ist ein Zusammenhang zwischen dem gehäuften Auftreten der Nekropolen und der befestigten Siedlung von Bernstorf augenscheinlich.
Während der Bronzezeit lassen sich zwei Horizonte des Burgenbaus beobachten. Die ersten befestigten Siedlungen stammen vom Ende der Frühbronzezeit/Beginn der Mittelbronzezeit (Übergang A2/B1). A. Jockenhövel, Bronzezeitlicher Burgenbau in Mitteleuropa. Untersuchungen zur Struktur frühmetallzeitlicher Gesellschaften. In: Orientalisch-Ägäische Einflüsse in der Europäischen Bronzezeit. Mongr. RGZM 15, 1990, 209-228. Das Ende dieses Burgenhorizontes wird mit Klimaverschlechterungen in Zusammenhang gebracht.  Ebd.219.
Ein zweiter Burgenhorizont fällt in die Urnenfelderzeit (13.-8. Jh. v.Chr.).
Die endgültige Beurteilung der genauen Stellung der Bernstorfer Anlage wird erst nach einer Mehrung des archäologischen Fundstoffes möglich sein. Es ist gegenwärtig wahrscheinlich, daß die Anlage von Bernstorf in die ältere Mittelbronzezeit, d.h. in die Zeit nach dem ersten Burgenhorizont gehört und damit gleichzeitig mit den umliegenden Hügelgräbern sein könnte, soweit diese in die Bronzezeit datiert werden können. Die Siedlung von Bernstorf wirft damit einige interessante Fragen auf. So könnte das Fehlen mittelbronzezeitlicher Burgen im süddeutschen Raum auf die Holzkonstruktion zurückzuführen sein, die im Gelände kaum Spuren hinterläßt. Mindestens ebenso interessant erscheint die Erforschung der Siedlung im Zusammenhang mit der sie umgebenden Siedlungskammer. Das Ampertal spielt eine wesentliche Rolle in der bronzezeitlichen Aufsiedlung des südwestlichen Alpenvorlandes. Koschick 1981 (Anm 15) Von ihrer strategischen Lage her hatte die Siedlung von Bernstorf in diesem Zusammenhang sicherlich ein Schlüsselposition.