Der Goldfund von Bernstorf
bei Kranzberg

Mit 10 Abbildungen und Tafel 1–8
Von Rupert Gebhard, München 
Mit einem Beitrag von Manfred Moosauer, Haimhausen
(Prähistorische Staatssammlung München)


Erste Seite

Bestandteile des Fundes

Vollständigkeit des Fundes

Zusammensetzung des Goldes

Interpretation und kultureller Zusammenhang

Datierung des Fundes

Zusammenfassung

 Bilder
Tafel 1
Tafel 2
Tafel 3

Weitere Funde
Bernstein
Keramik


Im Herbst 1998 konnte im Bereich einer befestigten bronzezeitlichen Siedlung nordwestlich von Freising durch Zufall ein ungewöhnlicher Versteckfund gerettet werden. Die Fundstücke wurden durch schweres Räumgerät zusammen mit Baumstümpfen bei der Vorbereitung eines Kiesabbaus zur Seite geschoben. Entdeckt wurden die ersten Fundstücke am 8.8.98 von dem Arzt und Amateurarchäologen Dr. Manfred Moosauer, der nach dem Ende seiner Grabungen im südöstlichen, am höchsten gelegenen Teil der Befestigungsanlage  zusammen mit Traudl Bachmeier eine abschließende Begehung vornahm. Auf den Siedlungsplatz war man bereits 1994 aufmerksam geworden. Man stieß damals auf der Suche nach Eisenverhüttungsplätzen  am Rand einer Kiesgrube nahe des Gutes Bernstorf bei Kranzberg, Lkr. Freising, auf eine 30 cm dicke und 3?4 m breite Schicht aus glasig verschlackten Sanden. Erst nach längerem Verlauf der Grabung konnte durch die eingeschalteten Fachleute eindeutig geklärt werden, daß es sich dabei um die Reste einer verbrannten Holzbefestigung handelte, der ein Spitzgraben vorgelagert war. Recherchen ergaben, daß die Anlage zu Beginn unseres Jahrhunderts dem Freisinger Gymnasialprofessor Josef Wenzel bekannt war, danach aber wieder mit Ausnahme der miteingeschlossenenen frühmittelalterlichen Befestigung in Vergessenheit geriet. 
Die Befestigungsanlage ist nach den ersten Analysen in die ältere bis mittlere Bronzezeit zu datieren. Sie umfaßte ursprünglich ein Areal von 12 bis 15 Hektar, von denen etwa 3/5 in den letzten 30 Jahren dem Kiesabbau zum Opfer fielen. Bei den Grabungen an der Befestigungsanlage wurden nur wenige Artefakte gefunden, vor allem Silices und Keramik, aber auch Rohbernstein. Metallfunde fehlen bislang. Die Siedlung befindet sich strategisch günstig auf einem Sporn etwa 50 Meter über der Amper. Die Anlage der Siedlung steht wohl in Zusammenhang mit einer an dieser Stelle bestehenden kürzesten Wegverbindung zwischen dem Ampertal und dem Isartal bei Freising. Die Befestigung auf dem Domberg von Freising  bildet wohl mit unserer Anlage eine Einheit. Fundstellen der mittleren Bronzezeit sind in der näheren Umgebung mittlerweile in größerer Zahl bekannt, wobei auch bedeutende Funde, darunter bereits zwei Achtkantschwerter, zu Tage kamen .
M.M.

Nach der Entdeckung der ersten Goldbleche (Nr. 1, Taf. 1) erfolgte umgehende Meldung an den Verfasser, so daß die Mehrzahl der Fundstücke durch Mitarbeiter der Prähistorischen Staatssammlung, des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege und freiwillige Helfer fachgerecht geborgen werden konnte. Die erste Begehung der Fundstelle fand am 15.8.98 statt. Dabei konnte ein kleines diademartiges Blech 50 cm neben der ersten Fundstelle in einem Bereich zusammen mit 7 Anhängern und einem weiteren Blech geborgen werden (Nr. 2?3; 6a, Taf. 2). Bei einer daraufhin eingeleiteten  Nachuntersuchung am 21.8.98 wurden zunächst die direkt anschließenden Baumstümpfe entfernt. Dabei wurden zwei weitere Objekte sichergestellt (Nr. 4?5, Taf. 3) . Eine weitere Begehung der Fundstelle am 26.9.98, die der Planung des weiteren Vorgehens dienen sollte, erbrachte das noch zusammengefaltete große Diadem und ein spiralförmig um verkohltes Holz gewickeltes Blech (Nr. 8; 6b; Taf. 2; 4; 6). Daraufhin wurde beschlossen, sämtliche Baumstöcke zu entfernen. Im Laufe dieser Maßnahmen wurden bei zwei Nachuntersuchungen am 30.9.98 ein weiteres spiralförmig gewickeltes Blech, eine Nadel, ein durchbohrter Bernstein sowie am 29.4.99 noch fünf weitere durchbohrte Bernsteinstücke gefunden (Nr. 6c; 7; 9; Taf. 2; 4; 6). Sämtliche Fundstücke befanden sich in sekundärer Lage (Abb. 1) im humosen Erdreich zwischen den zuunterst liegenden Baumstrünken, so daß über den ursprünglichen Befund keine Aussagen mehr getroffen werden können. Da die Mehrzahl der Stücke noch in einem Mantel aus lokalem Ton/Sandgemisch eingebettet war, kann der Transport in der Schaufel der Schubraupe jedoch nur wenige Meter betragen haben. Dieser Vorbericht soll eine Übersicht über die Fundsituation, die Fundstücke sowie eine erste kulturelle Interpretation liefern.
 

Bestandteile des Fundes
 

1. Sechs Teile eines Blechgürtels aus Gold (Abb. 2; Taf. 2). Die sechs nur zum Teil aneinanderpassenden Teile wurden als auf kleiner Fläche verstreuter Komplex angetroffen. Die dreieckig zulaufenden Endstücke mit der Lochung waren eng zusammengefaltet. Das längste der rechteckigen Bleche war einmal nach hinten gefaltet, das kleinste Blech war einmal schräg geknickt. Außer an den beiden Endstücken befinden sich an den Blechen keine Befestigungslöcher. Da auch unter dem Mikroskop keinerlei Spuren eines organischen Materials auf den Rückseiten der  Bleche zu entdecken waren, kann man wohl davon ausgehen, daß der gesamte Blechgürtel ehemals nicht auf einem Träger aus anderem Material aufgebracht war. Der Gürtel wurde vor seiner Deponierung zerschnitten bzw. wie das unregelmäßige Ende an Nr. 1a andeutet, zerrissen. Da sich nicht alle Blechfragmente direkt aneinander anpassen lassen, sind wahrscheinlich nicht alle Fragmente des Gürtels erhalten geblieben. 

a) Ende des Blechgürtels  (E. Nr. 1998/28a ). Asymmetrisch dreieckig zulaufendes Ende mit Lochung. Im Bereich des Loches Sinter-/Brandspuren. Am anderen, fragmentierten Ende Reste einer Kreisverzierung und Dreiecksschraffur, an Blech b anpassend. L. 83,9 mm; B. 25,3 mm; D. 0,08 mm; Gewicht 2,6 Gramm.
b) Rechteckiges Goldblech (E. Nr. 1998/28b). An beiden Enden fragmentiert, anpassend an Blech a und c. Verzierung mit einer Reihe von Kreispunzen und hängenden, strichgefüllten Dreiecken. L. 116 mm;  B. 25,3 mm; D. 0,08?0,12 mm; Gewicht. 4,6 Gramm.
c) Rechteckiges Goldblech (E. Nr. 1998/28c). An beiden Enden fragmentiert, anpassend an Blech b. Verzierung mit einer Reihe von Kreispunzen und hängenden, strichgefüllten Dreiecken. L. 51,5 mm;  B. 25,2 mm; D. 0,06?0,08 mm; Gewicht. 1,8 Gramm.
d) Rechteckiges Goldblech (E. Nr. 1998/28d). An beiden Enden fragmentiert, anpassend an Blech e. Verzierung mit einer Reihe von Kreispunzen und hängenden, strichgefüllten Dreiecken. L. 73 mm;  B. 25,3 mm; D. 0,04?0,1 mm; Gewicht. 2,9 Gramm.
e) Rechteckiges Goldblech (E.Nr. 1998/28e). An beiden Enden fragmentiert, anpassend an Blech d. Verzierung mit einer Reihe von Kreispunzen und hängenden, strichgefüllten Dreiecken. L. 87,9 mm;  B. 25 mm; D. 0,06?0,1 mm; Gewicht. 3,0 Gramm.
f) Ende des Blechgürtels (E.Nr. 1998/28f). Asymmetrisch dreieckig zulaufendes Ende mit Lochung, das andere Ende fragmentiert. L. 85,8 mm; B. 25,2?25,4 mm; D. 0,08?0,1 mm; Gewicht 2,7 Gramm.

2. Goldblech mit spitz zulaufenden Enden (E. Nr. 1998/29a; Abb. 3; Taf. 2). Das diademartige Goldblech wurde zusammen mit sieben Anhängern in einem bereits zerfallenen Erdbrocken gefunden. Das längere Blech war zweimal Z-förmig gefaltet, der kürzere Blechteil einmal. In der Falte des längeren Bleches befanden sich die sieben Anhänger (Nr. 3).
Der Rand des Bleches ist umlaufend mit kleinen spitzovalen Eindrücken gesäumt, nach innen begleitet von einer eingedrückten Linie. An den Seiten je ein Paar Befestigungslöcher. Das äußere der Löcher ist jeweils von vorne nach hinten durchstochen, das innere von hinten nach vorne. In der Innenfläche fünf einfache Kreispunzenverzierungen in drei unterschiedlichen Größen.  Die Enden sind, ähnlich wie bei dem Gürtelblech, asymmetrisch dreieckig gestaltet, zusätzlich wurde das Blech am Ende jeweils an einer kleinen Stelle gefalzt.
L. 135 mm; B. 25,3 mm; D. 0,1?0,16 mm; Gewicht 5,1 Gramm.

3. Sieben Anhänger aus Goldblech (E. Nr. 1998/29b1-7; Abb. 4; Taf. 2). Die Anhänger waren ursprünglich in das spitzovale Goldblech (Nr. 2) eingewickelt.
Anhänger aus quadratisch zugeschnittenem Goldblech mit Mittelbuckel. In einer Ecke jeweils Lochung von vorne nach hinten. 
4 Anhänger mit den Maßen L. 25 mm; B. 25 mm; D. 0,07 mm; Gewicht 0,9 Gramm; Sonst:  L. 24,4  mm; B. 24,6 mm; D. 0,06?0,07 mm, Gewicht 0,8 Gramm; – L. 25 mm; B. 23,8 mm; D. 0,07 mm; Gewicht 0,9 Gramm; – L. 25,4 mm; B. 24,6 mm; D. 0,07 mm; Gewicht 0,9 Gramm.

4. Verziertes Goldblechfragment (E. Nr. 1998/38 a; Abb. 5; Taf. 3)
An beiden Seiten rechtwinklig abgeschnittenes Blech. Verzierung mit großen, strichgefüllten Dreiecken. Drei Dreiecke vollständig, ein drittes im Ansatz vorhanden. Der Rand ist wie bei dem Goldblech Nr. 2 mit spitzovalen Eindrücken gesäumt, begleitet von einer Linie.  Form und Länge der Eindrücke sind identisch mit Nr. 2. Am Rand zwischen den ersten beiden Dreiecken jeweils ein paar Befestigungslöcher, bestehend aus einem sehr feinen und einem großen, groben Loch. In der Mitte des dritten Dreiecks jeweils am Rand grob eingerissene Löcher. L. 95 mm; B. 25 mm; Gewicht 3,4 Gramm.

5. Dick zusammengefaltetes Goldblech (E. Nr. 1998/38 b; Abb. 5; Taf.3).
Mehrfach gefaltetes Goldblech. An einer Stelle noch Rest einer Punzverzierung erkennbar. 
L. 27,8 mm; B. 24,5 mm; D. 0,8?1 mm; Gewicht 6,9 Gramm.

6. Goldblechteile, die ursprünglich um ein oder mehrere stabförmige Gebilde gewickelt waren (Abb. 6; Taf. 2; Taf. 6).

a) Eingerolltes Goldblechfragment  (E. Nr. 1998/28g). Flächig mit in Reihen angebrachten Punkten verziert. An der Kante kleiner, angeschmolzener Blechrest. L. 23,4 mm; B. 25,3 mm; D. 0,08 mm; Gewicht 2,3 Gramm.
b) Spiralförmig gerolltes Goldblech (E. Nr. 1998/39a). Das Blech war bei der Auffindung vollständig in einen Klumpen aus Lehm-/Sandgemisch eingebettet . Im Inneren befand sich ein Stück eines verkohlten Holzstabes; L. 37 mm; Durchmesser 15 mm. Der Stab bestand aus einem zurechtgeschnitzten Stück eines Eichenholzes. Das Holz stammt aus einem  mächtigen Stamm, erhalten sind 17 Jahrringe . Das Blech war um den Stab gewickelt und nur an der Schauseite durch eine Doppelpunktreihe verziert. 
Das Holz wurde am Beschleuniger des Research Laboratory for Archaeology and the History of Art, Oxford, unter der Probennummer OxA-8361 datiert : ?13C=-25,6;  2995 ? 40 B. Dies ergibt nach dem Oxcal Computerprogram von C. Bronk Ramsey mit der Kalibrationskurve von 1986   bei einem Confidenz Intervall von 95,4% ein Datierungsintervall von 1400?1100 v.Chr. L. 80,3 mm; B. 24,6 mm; D. 0,1 mm; Durchmesser 15 x 17 mm; Gewicht 6,5 Gramm.
c) Spiralförmig gerolltes Goldblech (E. Nr. 1998/40a). Das Blech war bei der Auffindung vollständig in einen Klumpen aus Lehm-/ Sandgemisch eingebettet. An der Schauseite Verzierung durch eine Doppelpunktreihe.  L. 83,8 mm; B. 24,5 mm; D. 0,08 mm; Durchmesser 15,6 x 18,5 mm, Gewicht 6,6 Gramm.

7. Nadel aus Goldblech mit Plattenkopf (E. Nr. 1998/40b; Abb. 7; Taf. 3). Die Nadel war bei der Auffindung vollständig in einen Klumpen aus Lehm-/Sandgemisch eingebettet. Hierfür wurde der Schaft sieben mal geknickt, so daß die Gesamtlänge bei der Einbettung 72 mm betrug.
Die Nadel ist aus drei Teilen gearbeitet. Die Konstruktion läßt sich im Röntgenbild erkennen (Taf. 3). In der Mitte des Kopfes befindet sich eine verdichtete Zone, offenbar aus zusammengefaltetem Blech. Möglicherweise ist darin auch noch organisches Material eingewickelt. Der Plattenkopf ist aus einem rechteckigen Blechstück darübergefaltet, das im unteren Bereich schräg nach hinten umgebogen ist. Von unten ist der Nadelschaft eingeschoben, der aus einem gefalteten Längsblech besteht, das zonenweise tordiert wurde. Der Plattenkopf ist im Zentrum mit in einem Kreis angeordneten Einstichen verziert. Eine Ecke des Nadelkopfes ist verschmolzen. L.  332 mm; B. 23,4 mm; D. 0,2 mm; Gewicht 8,9 Gramm.

8. Großes, kronenartiges Diadem aus Goldblech mit Aufsätzen (E. Nr. 1998/39b; Abb. 8; Taf. 4). Das Diadem war bei der Auffindung vollkommen zu einem Ballen zusammengefaltet (Taf. 1). Die Ummantelung aus einem Lehm-/ Sandgemisch war bereits weitgehend zerfallen. Der Ballen ließ sich zunächst in Längsrichtung aufrollen. Danach zeigten sich die um das Reifblech des Diadems gewickelten zungenförmigen Aufsätze unterschiedlicher Länge, die nach umfänglicher Dokumentation des Zwischenzustandes ausgerollt wurden. 
Das Diadem wurde sehr sorgfältig aus sieben Blechstreifen hergestellt. Der Reif besteht aus zwei aneinandergefalzten Blechstreifen. An den beiden Enden sind diese Bleche jeweils umgeschlagen. An einem Ende zeigen sich deutliche Sinter/Brandspuren (Taf. 7). Die unteren Enden der Aufsätze sind durch Schlitze nahe des Reifrandes geführt und zweimal umgebördelt. Die Schlitze sind mit einem sehr scharfen Werkzeug, wahrscheinlich einem Silex ausgeführt; einzelne Späne sind, bedingt durch mehrfaches Ansetzen des Werkzeuges, zu beobachten. Auf dem Reif befinden sich an sechs Stellen jeweils in der Mitte der Teilbleche feine nach hinten durchgestochene Löcher (insgesamt 12).  Jeweils ein Befestigungsloch ist auf gleicher Höhe an jedem Aufsatz angebracht, der zentrale, längere Aufsatz weist zusätzlich ein zweites Loch auf. Die Löcher sind alle von unterschiedlicher Form. Sie wurden also nicht mit einem einzelnen Werkzeug erzeugt, sondern zeigen die Außenkontur der einst eingedrückten Befestigungsstifte. Auf der Rückseite des Diadems lassen sich unter dem Mikroskop mehrere Stellen mit pechartigen organischen Resten erkennen, deren naturwissenschaftliche Untersuchung noch nicht abgeschlossen ist .
Der Reif  des Diadems ist in der oberen Zone alternierend mit hängenden strichgefüllten Dreiecken und kleinen Kreispunzen verziert. In der unteren Zone finden sich mittelgroße Kreispunzen. Im mittleren Bereich sind jeweils auf der Höhe der Leerräume zwischen den Zacken sanduhrförmige Dreiecksmuster angebracht.  Der Reif ist umlaufend von einer zum Teil flauen Linie und nach außen mit senkrechten Strichen gesäumt. Die flaue Linie wurde, wie im Röntgenbild erkennbar ist, mit einem etwa 4 mm langen spatelartigen Werkzeug nachgearbeitet. Mit dem gleichen Werkzeug wurden die den Rand begleitenden senkrechten Striche eingedrückt. Der Mittelfalz zwischen den beiden Reifblechen trägt durchgehend kleine Punktdellen. Die Aufsätze des Diadems sind alternierend mit einer großen Kreispunze und einer kleine Punktdelle verziert. Entlang des Randes findet sich eine Linie mit begleitenden senkrechten Strichen. Die Größen der bei dem großen Diadem verwendeten Kreispunzen unterscheiden sich von denen auf dem kleinen Blech (Nr. 2). Mit Ausnahme der kleinen Buckelpunze wurden sämtliche Verzierungen von der Vorderseite her eingedrückt. An zwei Stellen der aufgesetzten senkrechten Bleche erkennt man im Röntgenbild an falscher Stelle eingedrückte, wieder geglättete Eindrücke der großen Kreispunze (Taf. 5).
L. 429 mm; L. der Aufsätze oberhalb des Reifes 87, 86, 115, 87, 86 mm;  B. der Aufsatzbleche 25 mm; B. des Reifes 42-44 mm (oberes Blech 22-23 mm; unteres Blech 22-23 mm; umgebogener Falz jeweils 2 mm breit); D. 0,08 mm; Gewicht 49,9 Gramm.

9. Sechs durchbohrte Bernsteinstücke (E. Nr. 1998/  1999/17a-d;  Abb. 9; Taf. 6)
In der Fundzone wurden außer einer nicht aussagekräftigen Wandscherbe als einzige nicht aus Gold bestehende Fundstücke sechs durchbohrte Bernsteinstücke gefunden, die deutliche Brandspuren aufweisen. Alle Stücke wurden an einer Stelle, nahe der Goldnadel gefunden; sie gehören zweifelsohne zu dem Fundkomplex. Zum Teil sind noch die geraden Seitenkanten erhalten, was den Schluß zuläßt, daß die Stücke ursprünglich wohl alle von annähernd rechteckiger Form waren. Die zentrale Bohrung ist stark konisch. L. / B.  /D.: 47 x 27,5 x 12,4 mm; 25 x 21 x 11 mm; 27 x 20 x 8,5 mm; 27,5 x 16,5 x 9 mm; 22,2 x 20,8 x 11 mm; 24 x 20,5 x 8,5 mm.

Vollständigkeit des Fundes

Die Auswertung des Fundes beschränkt sich vorwiegend auf die Fundanalyse, da über die ursprüngliche Befundsituation bedauerlicherweise keine Aussagen mehr getroffen werden können. Von der Vergrabung der Objekte sind immerhin zwei Details rekonstruierbar: Alle größere Objekte wurden zur Niederlegung entweder sorgfältig zusammengefaltet oder, wie der Gürtel, möglicherweise zerschnitten. Bei mehren Stücken war der Auffindungszustand noch so unversehrt, daß man eindeutig feststellen konnte, daß sie vor der Niederlegung jeweils in ein Lehm-/ Sandgemisch eingebettet wurden (Taf. 6). Man sieht sich hier erinnert an die im ostmediterranen Raum vereinzelt belegten Einbettungen von bronzezeitlichen Silberblechvotiven in Tonhüllen .

Bei den geborgenen Goldblechen handelt es sich um eine nahezu vollständige Tracht-Ausstattung der Bronzezeit mit Kopfschmuck, Brustschmuck, Gürtel und Nadel. Offensichtlich verloren gegangen sind kurze Teile des Gürtels sowie die Abschlüsse des Bleches Nr. 4, das zu einem Armschmuck gehört haben mag. Eine zweite Nadel muß man für die ursprüngliche Ausstattung nicht voraussetzen. Wann die Teile verloren gingen, ob bereits in der Antike vor der Niederlegung oder erst bei den Rodungsarbeiten, läßt sich nicht feststellen.
Die Ausstattung wurde als komplettes Ensemble aus einzelnen, gleichbreiten Blechen gefertigt (Tabelle 1). Auffällig erscheint die vielfach beobachtete Übereinstimmung in der Dicke und Breite der Bleche. Die Breiten schwanken zwischen 24 und 26 mm, wobei die meisten Bleche 25 mm breit sind . Der exakte Zuschnitt der Bleche ließe sich durch die Verwendung von Silexklingen erklären. 
Gleiche Verzierungsmuster und Werkzeugspuren finden sich auf dem Gürtel (Nr. 1), dem kleinen Blech (Nr. 2), dem Blechfragment (Nr. 4) und dem großen Diadem (Nr. 8). Wenngleich es sich bei der Verzierung der Nadel und der Stabumwicklungen nur um einfache Eindrücke handelt, so wird man diese auch dem gleichen Handwerker zuschreiben können, zumal das verwendete Gold bei allen Stücken übereinstimmt.  Im Gegensatz zu den spätbronzezeitlichen mitteleuropäischen Goldfunden wurden bei der Herstellung keine Metallpunzen verwendet. Die Art der Eindrücke läßt auf Knochen, Eberhauer , oder Holzwerkzeuge schließen.
 
 

   Form 1(groß)  Form 2 (mittel)  Form 3 (klein)

Nr. 1 Gürtel   -   >31   -
Nr. 2 Kleines Blech  1   2   2
Nr. 8 Großes Diadem  25   -   -

Tabelle 1. Vorkommen identischer Kreispunzen (vgl. Taf. 76)
 
 

Zusammensetzung des Goldes

Die ersten Röntgenfluorenszenzanalysen des Goldes ergaben, daß die Bleche aus nahezu reinem Gold bestehen . Neben dem Hauptbestandteil Gold ließen sich Kupfer und Zinn lediglich mit einem Anteil von jeweils unter 0,5%, Silber unter 0,2% nachweisen. Bestätigt wird das Ergebnis durch die Messung der Dichte, die derjenigem von reinem Gold entspricht, sowie durch begonnene Untersuchungen mit Mößbauerspektroskopie , bei denen auch die Zusammensetzung im Inneren des Objektes erfaßt wird. Es ist nahezu ausgeschlossen, daß ein so niedriger Silbergehalt in Fluß- oder Berggoldvorkommen auftritt. Es muß daher davon ausgegangen werden, daß das Gold geschieden wurde. Da dieser Vorgang technisch sehr kompliziert ist, kann eine lokale Herstellung des Goldes ausgeschlossen werden. Es gibt hierfür nur ein in der Antike belegtes Verfahren, die sogenannte Zementation mit Salz . Dabei handelt es sich um einen  Glühprozess der Gold-Silberlegierung mit verschiedenen Zusätzen, vor allem mit Kochsalz. Die Scheidung erfolgt durch die Bildung von Silberchlorid (AgCl).  Das Verfahren ist nur in zwei antiken Schriftquellen erwähnt: bei Plinius d.Ä. [33,84] und bei Diodorus Siculus, der einen früheren Reisenden namens Agatharchides zitiert. Agatharchides berichtet über den ägyptischen Goldbergbau wohl der Zeit um 500 v.Chr.: „Zuletzt nehmen geschickte Werkleute das Gewonnene und füllen es nach festem Maß und Gewicht in irdene Tiegel, mischen es nach Gewicht mit Blei und Zinn, Klumpen von Salz und ein wenig Zinn und fügen Gerstenkleie hinzu; darauf setzen sie einen gut passenden Deckel und verschmieren ihn sorgfältig mit Schlamm. Sie backen es in einem Ofen, fünf Tage und ebensoviele Nächte. Am Ende der Periode, wenn sie die Tiegel haben abkühlen lassen, finden sie keine Rückstände anderer Materialien in den Tiegeln außer dem Gold. Dies ist in reiner Form, und die Verluste sind nur gering.“ 

Wenngleich die dort beschriebenen Zugaben der Rezeptur in ihrer Wirkung zum Teil kontraproduktiv sind, zeigt die Quelle jedoch, daß Mitte des ersten Jahrtausends v.Chr. in Ägypten der Zementationsprozess bekannt ist. Bei der Frage nach dem Ursprung dieser Erfindung wird üblicherweise der älteste Beleg aus dem Tempelbezirk Pactolus Nord in Sardis angeführt . Hier konnten die Reste von mehreren metallurgischen Öfen ausgegraben werden, stratigraphisch datiert an den Übergang vom 7. zum 6. Jahrhundert v. Chr. Zwei Öfen davon können eindeutig mit der Anwendung des Zementationsverfahrens in Verbindung gebracht werden. 
Wie läßt sich jedoch die große zeitliche Lücke zu unserem Komplex schließen? Nach der derzeitigen Forschungslage leider nicht. Es können jedoch aus Mitteleuropa drei Objekte genannt werden, die zumindest gleichzeitig zu datieren sind: 
Zu nennen sind zwei Goldfunde aus Irland und eine Goldscheibe (Taf. 8) aus Moordorf, Kreis Aurich, in Norddeutschland,  die zudem in der Art der Verzierung dem Bernstorfer Gold sehr nahe steht . Da es sich hierbei um völlig singuläre Stücke handelt, deutet sich eine Goldquelle im östlichen Mittelmeerbereich oder Vorderasien an. Hier wurden von A. Hartmann bereits die Griffverzierungen eines frühmykenischen Schwertes von der Argolis, sowie zwei Ringe aus Susa mit gleicher Goldzusammensetzung gefunden . Woher die bei dem Bernstorfer Fund verwendeten Bleche stammen, läßt sich aufgrund der großen Streuung nicht genau sagen. 

Interpretation und kultureller Zusammenhang
 

Die Goldbleche von Bernstorf stehen als Objekte im bronzezeitlichen Fundmaterial Südbayerns einzig da. Auch nur annähernd Vergleichbares kann man bei der antiquarischen Analyse unter dem einheimischem Material kaum finden. Betrachtet man jedoch die Verzierungsmuster, so ist der Fund durchaus einem Handwerker aus dem mitteleuropäischen Raum zuzuweisen. Winkeldreiecke und Kreisaugen kennt man von  einheimischer Keramik der Bronzezeit in großer Anzahl . Fein schraffierte Winkeldreiecke sind auf einem Stirnband aus Bronzeblech aus Raisting belegt . 
Spitzoval zulaufende Goldbleche wie Nr. 2, die im allgemeinen als „Diademe“ bezeichnet werden, sind in Mitteleuropa am Beginn der späten Bronzezeit belegt. Zu nennen sind hier zunächst nur die Stücke von Paseky/Pisek, Binningen oder dem Bullenheimer Berg .  Da bei diesen Stücken niemals eine Fundlage bekannt ist, müssen sie nicht zwangsläufig als Kopfschmuck angesehen werden. Denkbar ist auch eine Verwendung als Brustschmuck in Zusammenhang mit einer entsprechenden Kleidung. Kopfschmuck aus Bronzeblechbändern ist zwar seit der Frühbronzezeit in verschiedenen Teilen Mitteleuropas belegt, dieser stimmt aber weder in Form noch in Verzierung mit unseren Stücken überein . Am häufigsten kommt bei diesem Blechschmuck eine Punktbuckelsäumung der beiden Kanten vor. 
Zu den sieben Blechanhängern (Nr. 3) findet man im mitteleuropäischen Material ebenso wie zu dem großen Diadem (Nr. 8) nichts Vergleichbares. 

Die Idee des Diadems geht auf die Hochkulturen des östlichen Mittelmeerraumes und des Vorderen Orients zurück. Hier sind spitzovale Goldbleche durch Grabfunde häufig als am Kopf getragene Diademe belegt. Sie wurden mit Drähten oder Fäden, die durch Löcher oder kleine Schlaufen an den Enden der Diademe gezogen wurden, am Kopf befestigt. Der geographische Raum umfaßt den gesamten östlichen Mittelmeerraum, von Assur  über Megiddo  und Anatolien  bis in den ägäischen Kreis. Eine kurze Zusammenstellung der ägäischen Blechdiademe aus Gold und Silber erfolgte zuletzt bei der Vorstellung des mittelbronzezeitlichen Schachtgrabes von Ägina . Die ältesten, frühbronzezeitlichen Diademe aus Gold- und Silberblech stammen demnach aus Kreta und von den Kykladen .  In den Stufen Frühminoisch II-III sind auf Kreta zwei Formen verbreitet: relativ schmale, gleichbreite Bänder und Bänder, die in der Mitte asymmetrisch verbreitert sind. Das Auftreten von Diademen ist jedoch auch dort nicht originär. Ebenfalls aus der frühen Bronzezeit sind entsprechende Objekte aus Kleinasien, Anatolien, dem Vorderen Orient und Ägypten bekannt. Spektakuläre Beispiele sind die trojanischen Diademe aus dem Schliemannschen Schatz . Aufgrund der hohen Mittelbereiche der Diademe vermutet man, daß sie an einem textilen Träger befestigt oder zur Verzierung von Kultfiguren bestimmt waren . 

Während der Schachtgräberzeit kommt es dann zu reichhaltigen dekorativen Ausgestaltungen von Diademen. Drei Formengruppen lassen sich unterscheiden: 1. Schmale Bänder mit einfachen Rapportmustern; 2. In der Mitte leicht verbreiterte Bänder mit betontem Mittelmotiv; 3. Spitzovale Diademe mit Rosetten und Kreismustern, meist auf die Mitte bezogen . Die größte Anzahl der in die Schachtgräberzeit zu datierenden Diademe wurde in Mykene geborgen. Sie stammen dort aus den Gräbern der adeligen Führungsschicht, auf die der erste Palastbau Mykenes zurückgeht. Nach allgemeiner Übereinstimmung lebten diese Adeligen, ähnlich wie in den Reichen Anatoliens und Ägyptens in einer Art von Sakralkönigtum, das sich in der besonderen Grabausstattung am eindrucksvollsten in den großen goldenen Totenmasken spiegelt . 

Aus den Gräbern des Gräberrundes A und B von Mykene  stammen zahlreiche Diademe, die überwiegend als Totenschmuck für Frauenbestattungen dienten und für das Begräbnis vermutlich auf den in Tücher gehüllten Leichnamen angebracht wurden. Besonders zahlreich sind spitzovale Diademe  mit Kreis- und Rosettenverzierung, zum Teil auch nur mit einfachen Kreisbuckeln und punktgesäumtem Rand (Grab ?? . Manche dieser Diademe wurden wie der Reif des Bernstorfer Diadems (Nr. 8) aus zwei einzelnen Blechstreifen hergestellt . Daneben kommen auch mehrere Diademe mit Fortsätzen vor, die nach den Angaben Schliemanns zumeist auf dem Kopf der Verstorbenen angetroffen wurden . Am bekanntesten und von der Ornamentaufteilung durchaus dem Bernstorfer Stück ähnlich ist das sogenannte Strahlendiadem aus dem Gräberrund A, Grab III . Andere Diademe tragen Aufsätze in Form von Sternen oder vegetabilen Blütenkelchen . Einzeln in den Gräbern angetroffene zungenförmige Bleche mit Kreisbuckelverzierung und abgerundetem Ende wie aus Grab ??(Gräberrund B) waren ursprünglich wohl ebenfalls Fortsätze von Diademen ??

Die Diademe von Mykene müssen als Fortsetzung einer Tradition gesehen werden, die noch bis in die frühminoische Zeit zurückgeht. Ein Diadem mit drei senkrecht befestigten Blechstreifen wurde zusammengefaltet in einem Silbergefäß über der antik wiedererrichteten Ostwand des Grabes VI von Mochlos auf Kreta gefunden (Abb. 10) . Vom gleichen Fundort stammt ein Diadem mit ursprünglich fünf Appliken, die wie beim zuvor erwähnten Stück aus Grab VI durch Schlitze im Blech befestigt waren, sowie weitere einzelne Aufsatzteile .  Das Diadem aus Grab VI gehörte vermutlich zur ursprünglichen Grabausstattung der Zeit Frühminoisch II/III. Wenngleich aufgrund der Stratigraphie auch eine mittelminoische Zeitstellung erwogen werden könnte, ist der Fund aus zwei Gründen im Vergleich zu dem Bernstorfer Stück besonders interessant. Zunächst stimmen die Konstruktionen verblüffend überein. Die senkrecht angebrachten Blechstreifen sind auch hier zur Befestigung durch einen Schlitz im Reif geführt. Der zweite Aspekt betrifft die Niederlegung: getrennt von der Bestattung in einem Gefäß, wobei das Diadem sorgfältig zusammengefaltet wurde. Das Diadem wurde demnach nicht als reine Totenausstattung für den oder die Verstorbene geschaffen, sondern hatte einen ursprünglichen Verwendungszweck außerhalb des Grabkultes.

Die Form der spitzovalen Totendiademe hält sich in Griechenland sehr lange. Nach der Schachtgräberzeit entsteht, wohl durch das Totenritual bedingt, eine Überlieferungslücke. Eine Renaissance erleben die Diademe im Grabbrauch des 8.?7. Jahrhundert v.Chr. So wurden in Sindos zahlreiche dieser goldenen Blechdiademe ausgegraben . 

Neben der Verwendung im Totenkult, wo sie vor allem hochgestellte Persönlichkeiten kennzeichnen, spielen Diademe und Kronen als Attribute von Göttern und Priestern im östlichen Mittelmeerraum eine wichtige Rolle . Die frühesten Belege für Götterkronen, sog. Poloi, finden sich in minoischer Zeit. Die bekanntesten Beispiele sind die fünf Idole von Gazi, gedeutet als Götterfiguren. Die größte Figur trägt ein Diadem mit drei hochgestellten Mohnkapseln . Vergleichbare Diademe lassen sich bei den Idolen von Gortyn , den subminoischen Terrakottafigürchen aus dem Höhenheiligtum von Karphi  und bei protogeometrischen Idolen  belegen. Obwohl die meisten der antiken Kultstatuen verloren sind, gibt es auch hier, meist aufgrund antiker Beschreibungen, mehrere Belege für das Schmücken der Standbilder mit Diademen, die mit vegetabilen oder figürlichen Aufsätzen versehen sind: Die Krone des Kultbildes der Nemesis von Rhamnus war mit Hirschen und kleinen Nikefiguren verziert,  das Kultbild der Artemis von Delos besaß einen Kranz aus Gold und Ulmenholz mit zehn Niken auf dem Haupt, die Hera von Chalkis wurde bereits im 4. Jahrhundert v.Chr. auf Münzbildern mit einer dreifachen Perlenkrone oder einem Diadem mit fünf menschlichen Köpfen dargestellt und gilt damit als eines der Vorbilder für die in der römischen Kaiserzeit beliebten Büstenkronen . 

Unter den Funden aus Mykene befinden sich noch andere Objekte, die im Komplex von Bernstorf wiederkehren. So kann eine formale Ähnlichkeit der Anhänger (Nr. 3) zu Goldblechanhängern in Form von auf die Spitze gestellten Quadraten festgestellt werden . Zu dem Befund des mit Goldblech umwickelten Stabes (Nr. 6) lassen sich Goldhülsen und spiralförmige Stabumwicklungen anführen . Dabei soll nicht unerwähnt bleiben, daß in zwei Gräbern des Gräberrundes A von Mykene auch eine große Anzahl an Bernsteinperlen gefunden worden. Im Männergrab V waren es etwa 100 Stück, im Frauengrab IV gar eine „Unmenge“, nach dem Inventar 1290 Bernsteinperlen .

Datierung des Fundes

Isolierte Goldfunde sind aufgrund ihrer möglichen langen Verwendungsdauer immer  schwer zu datieren. Einen ersten Anhaltspunkt gibt das kalibrierte 14C Datum mit einem Spielraum von 1400-1100 v.Chr. Da die ursprüngliche Bodenlagerung nicht genau bekannt ist, kann durch eine Kontamination der Probe das Datum ohne weiteres zu niedrig sein. 
Man ist daher ebenso auf die Datierung des Fundes nach antiquarischen Gesichtspunkten angewiesen. Eine Analyse der auf den Bernstorfer Goldblechen verwendeten Verzierungsmuster ist für eine exakte zeitliche Einordnung nicht sehr ergiebig. Strichverzierte Dreiecke begegnen erstmals im großem Umfang auf Ruderkopfnadeln . Als Keramikverzierung sind in der Frühbronzezeit hängende oder stehende Dreiecke, die von einer Linie und senkrechten Strichen begleitet sind, geläufig . Diese Verzierungsart kommt häufig auf der Keramik vom Domberg bei Freising oder beispielsweise am Schloßberg von Landsberg am Lech vor . Datiert werden kann die Keramik des Schloßberges bei Landsberg am Lech in die ältere Bronzezeit. In ähnlicher Form setzt sich diese Verzierung auch in die Hügelgräberbronzezeit fort . Aus zwei, an der Spitze aneinandertreffenden, strichgefüllten Dreiecken gebildete Sanduhrmuster sind erstmals auf frühbronzezeitlichen Nadeln belegbar . Die Verzierung kehrt auch auf Keramik wieder 
Für die Verzierungsmuster ist im südbayerischen Keramik- und Bronzematerial somit ein Spielraum von der Frühbronzezeit bis in die Hügelgräberbronzezeit belegt. 

Die Nadel Nr. 7 ist im Fundgut der Bronzezeit ungewöhnlich, könnte aber mit Einzelstücken aus Bronze verglichen werden. Eine Plattenkopfnadel mit Punktverzierung gibt es am Ende der Frühbronzezeit in Straubing . Sie läßt sich aber auch auch in den Umkreis der Nadeln mit spatelförmigem Kopf im Karpathenbecken stellen, die dort in die jüngere Vatya-Kultur datiert werden können, nach süddeutscher Terminologie in die Frühbronzezeit Reinecke A1/A2  . Daß zu der Kopfform der Goldnadel keine direkten Parallelen genannt werden können, liegt wohl an der einfachen Machart, die durch die einfache Faltung des Bleches und das erforderliche Umknicken nach hinten zu dieser etwas ungewöhnlichen „fünfeckigen“ Kopfplatte geführt hat. Sofern die Torsion des Schaftes nicht nur der Stabilisierung des fragilen Bleches diente, kann man Nadeln mit tordiertem Schaft aus vielen Bereichen nennen. Formal ähnlich, aber dies muß wohl als Zufall angesehen werden, sind Plattenkopfnadeln mit tordiertem Schaft und Punktverzierung aus Nordostkaukasien . 
 

Betrachtet man andere Goldfunde der Bronzezeit so muß man zunächst einen Vergleich mit dem Motivschatz der jüngerbronzeitlichen Goldfunde anstellen. Zu den Mustern der spätbronzezeitlichen Goldhüte zeigt sich ein deutlicher Unterschied . Sowohl der Variantenreichtum der aus mehreren konzentrischen Kreisen bestehenden Punzen, Radpunzen, Punktreihen und eng gestrichelten Bändern als auch die Herstellungstechnik mit Metallpunzen zeigt, daß sich hier zum Bernstorfer Fund kein Einklang herstellen läßt. 
Gut vergleichbar ist dagegen die bereits erwähnte Goldscheibe  (Taf. 8) aus dem weit entfernten Moordorf  in Ostfriesland, die allgemein in die ältere Bronzezeit datiert wird. Zwei Verzierungsdetails sind zu erwähnen, die strichgefüllten Dreiecke in der äußeren Randzone und die einfachen Buckel im inneren Bereich. Hinzu kommt auch noch die vergleichbare Goldzusammensetzung.

Am augenfälligsten und für die Datierung heranzuziehen ist der Bezug der Fundstücke zu Objekten der Schachtgräberzeit des ägäischen Kreises, also etwa dem 16. Jahrhundert v.Chr . Das Zentrum Mykene strahlt im 16. –15. Jahrhundert weit in das Karpathenbecken aus. Bis in die Slovakei kommt es zu einer Ausprägung protourbaner Strukturen. Im Bereich der Nagyrév, Hatvan, Ottomány und Maros Kultur entstehen am Ende der dortigen Frühbronzeit (FB3) Tellsiedlungen, in denen sich oft ostmediterrane Beziehungen nachweisen lassen . Das Ende dieser Siedlungen fällt in die  sogenannte Vatya-Koszider Phase. Die dort bereits als entwickelte Mittelbronzezeit zu bezeichende Phase (MB2–3) kann bei uns mit dem Übergang zur Lochham-Stufe gleichgesetzt werden (A2–B1). Als geradezu regelhaft ist das Auftreten von Depots in den jüngsten Siedlungsschichten der Tell- und Höhensiedlungen zu bezeichnen . Bei diesen sogenannten Koszider Depotfunden handelt es sich in der Mehrzahl um die Deponierung von Trachtzubehör und Schmuck, wobei Golddepots aus mehreren Siedlungen des östlichen Karpathenbeckens bekannt sind, z.B. Kengyel, Jászdózsa, Spiãský Ãtvrtok oder Barca . Diese Funde sind Ausdruck für die dort lebende Oberschicht. Die Verhältnisse des Karpathenbeckens ähneln so stark dem in Bernstorf angetroffenen Befund, daß man versucht ist, von einem westlichsten Ausläufer dieses Phänomens zu sprechen. Leider sind die Fundumstände in Bernstorf durch die starken neuzeitlichen Zerstörungen so fragmentarisch, daß sich diese Aussage derzeit nur durch Indizien belegen läßt. Hierzu zählt die Zerstörung der Befestigungsanlage zwischen dem 16. und 14. Jahrhundert v.Chr., wobei eine eventuelle Mehrphasigkeit der Holzmauer bislang nicht abgeklärt ist . Die Brandspuren an dem Goldfund, der ja ganz in der Nähe des Walles vergraben wurde, könnten mit der Zerstörung der Mauer in Zusammenhang stehen, einen direkten Zusammenhang zu fordern verbietet sich aufgrund des Fehlens eines entsprechenden Befundes. Ob es sich dabei um ein lokales Ereignis handelt oder eine Gleichzeitigkeit mit den Ereignissen im Karpathenbecken handelt, müssen weitere Untersuchungen der Befestigungsanlage abklären. 

Zusammenfassung

Bereits die hier vorgelegten ersten Auswertungen, die zu dem Fund vorgenommen werden konnten, zeigen, daß es sich bei dem Ensemble um einen für die bayerische Landesgeschichte und die bronzezeitliche Religionsgeschichte Alteuropas außergewöhlichen Fund handelt. Nach der ersten Analyse wurden die Objekte im mitteleuropäischen Bereich unter Verwendung importierter Goldbleche gefertigt.
Zu einer eindeutigen Funktionsinterpretation wird man aufgrund der fehlende urspünglichen Fundsituation nicht mehr kommen können. Hierfür sind folgende Punkte wichtig: 
1. Vielteilige Schmuckgarnituren aus Gold sind in der Bronzezeit kaum anders als in Kult-Zusammenhängen vorstellbar. Das Ensemble kann daher als eine nahezu vollständige Zeremonial-Ausstattung bezeichnet werden.
2. Das große Diadem (Nr. 8) war auf einem Träger befestigt, das kleine Blech (Nr. 2) und der Gürtel (Nr. 1) konnten mit einem Faden aufgebunden werden.
3. Die Nadel (Nr. 7) ist extrem fragil und kann nur in Ruhelage verwendet werden.
4. In einem zu einem stabförmigen Gebilde gehörenden Goldblechfragment fand sich verkohltes Holz (Nr. 6 a), mehrere Goldbleche und die durchlochten Bernsteine weisen deutliche Brandspuren auf (Nr. 1 a, 6b, 7, 8, 9). 
5. Die Funde sind sorgfältig demontiert und vergraben worden.

Unwahrscheinlich ist, daß die Goldbleche – wie die oben häufig angeführten Vergleichsstücke aus Mykene – lediglich Verwendung im Totenkult fanden. Man müßte bei dieser Interpretation davon ausgehen, daß die Totenausstattung vor der Bestattung vom Leichnam entfernt und anschließend getrennt vergraben wurde. Eine Erklärung für die Brandspuren am Gold ergäbe sich nur für den Fall einer Verbrennung, bei der die Gegenstände sogar vom brennenden Scheiterhaufen vorzeitig entfernt worden sein müßten. Solche Bräuche wären für die mitteleuropäische Bronzezeit meiner Einschätzung nach jedoch singulär.

Eher wahrscheinlich ist es, daß es sich bei den Gold- und Bernsteinobjekten von Bernstorf um die Bestandteile eines Kultgewandes handelt. Kultgewänder können Kleidung entweder für Personen oder Bildwerke sein. Geht man einmal von einem lebenden Menschen als Träger aus – einem Priester oder einer Person als Inkarnation einer Gottheit –, so stellt die Fragilität der Nadel ein Problem dar. Die Nadel konnte niemals als Kleidungsbestandteil  getragen werden, und selbst als eine Art Schaustück kann sie nur mit äußerster Vorsicht präsentiert werden, ohne abzuknicken. Alles in allem hätte der potentielle lebende Träger dieses Kultgewandes kaum Bewegungsfreiheit. Wir könnten uns ihn – oder sie – nur sehr statuarisch agierend vorstellen. Dieses Bild paßt zwar zu den die Bewegungsmöglichkeiten ihres Trägers ebenfalls stark einschränkenden urnenfelderzeitlichen Goldhüten oder des goldenen Capes von Mold (Flintshire, Wales) , doch bleiben auch bei diesem Interpretationsmodell die Brandspuren ohne eine rechte Erklärung.
Bevorzugt möchte man deshalb nach Abwägung aller Indizien annehmen, daß es sich bei den Goldblechen von Bernstorf um die Schmuckausstattung eines lebensgroßen Bildwerkes handelt, die nach einem Brandereignis rituell vergraben wurde. 
Wie die Schmuck- und Gewandteile darauf befestigt waren, läßt sich teilweise aus den vorhandenen Löchern erschließen: Das  große Diadem war wohl mit Stiften direkt auf einem festen Träger befestigt; das Gürtelblech, das kleine spitzovale Blech und die sieben Anhänger waren dagegen mit einem Faden befestigt. Keinen Anhaltspunkt gibt es für die Anbringung der Nadel, die aufgrund ihrer Fragilität aber nur in unbeweglicher Anordnung verwendet werden konnte. 
Entsprechend lebensgroße, mit goldenen Accessoires geschmückte Kultbilder aus der Bronzezeit Mitteleuropas sind bislang nicht bekannt. Ihr Aussehen ist somit völlig fraglich, ob menschengestaltig oder abstrahiert. Eine vage Vorstellung könnten die im alpinen Bereich vorkommenden großen Steinstelen bieten . In diesem Zusammenhang wäre auch eine entsprechende Deutung für die späturnenfelderzeitlichen Goldkegel zu überlegen: als Bekrönung oder Hut einer Göttergestalt . 

Vorbilder für solche Kultbilder lassen sich im ägäischen Raum finden . Bereits 1901 konnte Sir Arthur Evans abstrakte Kultbilder im minoisch-mykenischen Raum aussondern, zu denen auch heute nicht erhaltene Holzskulpturen zu zählen sind . Eine beeindruckende Vorstellung von derartigen Bildwerken gibt die tönerene, nahezu lebensgroße Frauenfigur aus dem Tempel von Ayia Irini, Kreta . Bis in archaische Zeit bleiben im griechischen Raum einfache pfeilergestaltige Kultbilder aus Holz oder Stein neben anthropomorphen Objekten im Gebrauch . Objekte aus anderem Material konnten an ihnen angebracht sein (Gesichter, Füße, Locken), und letztlich wurden auch sie, wie später die klassischen, figürlichen Kultbilder, mit vornehmen, geweihten Gewändern bekleidet .

Der Goldfund von Bernstorf ist ein für Südbayern unerwartetes Beispiel mediterraner Fernbeziehungen während der Bronzezeit . So ist sowohl die Herkunft des Goldes als auch die Idee der Ausstattung nur aufgrund eines direkten Kontakt zur ägäischen und ostmediterranen Welt denkbar. Bislang sind im südbayerischen Bereich derartige weite Fernbeziehungen zum Mediterraneum immer nur ausschnittsweise belegt. Als Beispiele seien genannt Bernsteinschieber, unserem Fundort zunächst gelegen derjenige von Asenkofen , ein gemustertes Tonobjekt  aus Freising im Stil der Mad`arovce oder Polada-Kultur oder auch eine mykenische Fayenceperle  (Taf. 8) aus Pörndorf bei Landshut . Angesichts der geringen Zahl der Objekte ist die Richtung der Kulturströmung nicht eindeutig. Eine Anbindung über das Isartal zum mittleren Donauraum erscheint am plausibelsten, ausschließen möchte man jedoch auch nicht eine direkte Anbindung über die Alpen hinweg zum Mittelmeerraum .
 

 Abb. 1: Sekundäre Lage der Fundstücke im Bereich der zusammengeschobenen, gerodeten Baumstümpfe. Schematische Darstellung, Grenze der untersuchten Fläche gestrichelt.
Abb. 2: Teile des Gürtelbleches (Nr. 1). Gold, M. 1:2.
Abb. 3: Kleines diademartiges Blech (Nr. 2). Gold, M. 1:2.
Abb. 4: Quadratische Anhänger mit Buckel (Nr. 3). Goldblech, M. 1:2.
Abb. 5: Verzieter Blechabschnitt (Nr. 4) und zusammengefaltetes Blech (Nr. 5). Gold, M. 1:2.
Abb. 6: Teile von stabförmigen Gebilden (Nr. 6). Goldblech, M. 1:2.
Abb. 7:Nadel aus zusammengefaltetem Blech (Nr. 7). Gold, M. 1:2.
Abb. 8: Großes Diadem aus  Goldblech (Nr. 8). M. 1:2.
Abb. 10: Diadem aus Grab VI von Mochlos, Kreta. Die untere Hälfte wurde sekundär abgeschnitten.

TAFEL 1
Bernstorf, Ldkr. Freising, Auffindungszustand der Goldbleche. Gesamtaufnahme (Nr. 1-8, oben). Zustandsaufnahmen und erste Ausrollung des großen Diadems (Nr. 8, Mitte und unten). Foto  M. Eberlein; Verf. (oben).

TAFEL 2
Bernstorf, Ldkr. Freising, Goldfund. Teile des Blechgürtels (Nr. 1, oben); kleines diademartiges Blech und 7 Anhänger (Nr. 2–3, mitte), Umwicklungsbleche eines stabförmigem Gebildes (Nr. 6, unten). Foto M. Eberlein.

TAFEL 3
Bernstorf,  Ldkr. Freising, Goldfund. Nadel aus Goldblech (Nr. 7), Auffindungszustand (oben Mitte) und elektronisch bearbeitete Röntgenaufnahme (oben rechts). Dick zusammengefaltetes Goldblech (Nr. 5, Mitte). Verziertes Blechstück mit Befestigungslöchern (Nr. 4, unten). Foto M. Eberlein; Verf. (oben rechts) .

TAFEL 4
Bernstorf,  Ldkr. Freising, Goldfund. Großes Diadem im ausgerollten Zustand (Nr. 8). M. ca. 1:2. Foto M. Eberlein.

TAFEL 5
Bernstorf, Goldfund. Röntgenaufnahme des großen Diadems, elektronisch bearbeitet. Röntgenaufnahme M. Berger, Bearbeitung Verf. M 1:2, Ausschnitte M 2:1.

TAFEL 6
Bernstorf Ldkr. Freising, Goldfund. Stabumwicklung Kat. Nr. 6b, Zustandsaufnahme, und entnommenes Stück des Holzstabes (oben). Auffindungzustand der Stabumwicklung Kat. Nr. 6c (Mitte links) und der Nadel (Mitte rechts). 6 durchbohrte Bernsteinstücke (unten). Foto M. Eberlein (unten); Verf. (oben und Mitte) .

TAFEL 7
Bernstorf, Goldfund. Röntgenaufnahmen, elektronisch bearbeitet. Beispiele für die drei verschiedenen verwendeten Kreispunzen (oben). Brandspuren (Pfeile) am großen Diadem (links), der Nadel (Mitte) und dem Blechgürtel (rechts).  M. 3:1. Röntgenaufnahme M. Berger, Bearbeitung Verf.

TAFEL 8
Mykenische Fayenceperle aus Pörndorf, Gem. Bruckberg, Hügel I/75, M. ca. 1:1 (oben, Photo Verf.). Goldscheibe aus Moordorf, Kr. Aurich, M. ca. 1:1 (unten, nach W. Menghin u. P. Schauer).

Quelle:
Sonderdruck aus Bayerische Vorgeschichtsblätter 64, 1999, Seite 1-18, Tafel 1-8