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Der Goldfund von Bernstorf
bei Kranzberg Mit 10 Abbildungen und Tafel 1–8
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Erste Seite
Interpretation und kultureller Zusammenhang |
Im Herbst 1998 konnte im Bereich einer befestigten bronzezeitlichen Siedlung nordwestlich von Freising durch Zufall ein ungewöhnlicher Versteckfund gerettet werden. Die Fundstücke wurden durch schweres Räumgerät zusammen mit Baumstümpfen bei der Vorbereitung eines Kiesabbaus zur Seite geschoben. Entdeckt wurden die ersten Fundstücke am 8.8.98 von dem Arzt und Amateurarchäologen Dr. Manfred Moosauer, der nach dem Ende seiner Grabungen im südöstlichen, am höchsten gelegenen Teil der Befestigungsanlage zusammen mit Traudl Bachmeier eine abschließende Begehung vornahm. Auf den Siedlungsplatz war man bereits 1994 aufmerksam geworden. Man stieß damals auf der Suche nach Eisenverhüttungsplätzen am Rand einer Kiesgrube nahe des Gutes Bernstorf bei Kranzberg, Lkr. Freising, auf eine 30 cm dicke und 3?4 m breite Schicht aus glasig verschlackten Sanden. Erst nach längerem Verlauf der Grabung konnte durch die eingeschalteten Fachleute eindeutig geklärt werden, daß es sich dabei um die Reste einer verbrannten Holzbefestigung handelte, der ein Spitzgraben vorgelagert war. Recherchen ergaben, daß die Anlage zu Beginn unseres Jahrhunderts dem Freisinger Gymnasialprofessor Josef Wenzel bekannt war, danach aber wieder mit Ausnahme der miteingeschlossenenen frühmittelalterlichen Befestigung in Vergessenheit geriet. Die Befestigungsanlage ist nach den ersten Analysen in die ältere bis mittlere Bronzezeit zu datieren. Sie umfaßte ursprünglich ein Areal von 12 bis 15 Hektar, von denen etwa 3/5 in den letzten 30 Jahren dem Kiesabbau zum Opfer fielen. Bei den Grabungen an der Befestigungsanlage wurden nur wenige Artefakte gefunden, vor allem Silices und Keramik, aber auch Rohbernstein. Metallfunde fehlen bislang. Die Siedlung befindet sich strategisch günstig auf einem Sporn etwa 50 Meter über der Amper. Die Anlage der Siedlung steht wohl in Zusammenhang mit einer an dieser Stelle bestehenden kürzesten Wegverbindung zwischen dem Ampertal und dem Isartal bei Freising. Die Befestigung auf dem Domberg von Freising bildet wohl mit unserer Anlage eine Einheit. Fundstellen der mittleren Bronzezeit sind in der näheren Umgebung mittlerweile in größerer Zahl bekannt, wobei auch bedeutende Funde, darunter bereits zwei Achtkantschwerter, zu Tage kamen . M.M. Nach der Entdeckung der ersten Goldbleche (Nr.
1, Taf. 1) erfolgte umgehende Meldung an den Verfasser, so daß
die Mehrzahl der Fundstücke durch Mitarbeiter der Prähistorischen
Staatssammlung, des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege und
freiwillige Helfer fachgerecht geborgen werden konnte. Die erste Begehung
der Fundstelle fand am 15.8.98 statt. Dabei konnte ein kleines diademartiges
Blech 50 cm neben der ersten Fundstelle in einem Bereich zusammen mit 7
Anhängern und einem weiteren Blech geborgen werden (Nr.
2?3; 6a, Taf. 2). Bei einer daraufhin eingeleiteten Nachuntersuchung
am 21.8.98 wurden zunächst die direkt anschließenden Baumstümpfe
entfernt. Dabei wurden zwei weitere Objekte sichergestellt (Nr.
4?5, Taf. 3) . Eine weitere Begehung der Fundstelle am 26.9.98, die
der Planung des weiteren Vorgehens dienen sollte, erbrachte das noch zusammengefaltete
große Diadem und ein spiralförmig um verkohltes Holz gewickeltes
Blech (Nr. 8; 6b; Taf. 2; 4; 6). Daraufhin wurde beschlossen, sämtliche
Baumstöcke zu entfernen. Im Laufe dieser Maßnahmen wurden bei
zwei Nachuntersuchungen am 30.9.98 ein weiteres spiralförmig gewickeltes
Blech, eine Nadel, ein durchbohrter Bernstein sowie am 29.4.99 noch fünf
weitere durchbohrte Bernsteinstücke gefunden (Nr. 6c; 7; 9; Taf. 2;
4; 6). Sämtliche Fundstücke befanden sich in sekundärer
Lage (Abb. 1) im humosen Erdreich zwischen den zuunterst liegenden Baumstrünken,
so daß über den ursprünglichen Befund keine Aussagen mehr
getroffen werden können. Da die Mehrzahl der Stücke noch in einem
Mantel aus lokalem Ton/Sandgemisch eingebettet war, kann der Transport
in der Schaufel der Schubraupe jedoch nur wenige Meter betragen haben.
Dieser Vorbericht soll eine Übersicht über die Fundsituation,
die Fundstücke sowie eine erste kulturelle Interpretation liefern.
1. Sechs Teile eines Blechgürtels aus Gold (Abb. 2; Taf. 2). Die sechs nur zum Teil aneinanderpassenden Teile wurden als auf kleiner Fläche verstreuter Komplex angetroffen. Die dreieckig zulaufenden Endstücke mit der Lochung waren eng zusammengefaltet. Das längste der rechteckigen Bleche war einmal nach hinten gefaltet, das kleinste Blech war einmal schräg geknickt. Außer an den beiden Endstücken befinden sich an den Blechen keine Befestigungslöcher. Da auch unter dem Mikroskop keinerlei Spuren eines organischen Materials auf den Rückseiten der Bleche zu entdecken waren, kann man wohl davon ausgehen, daß der gesamte Blechgürtel ehemals nicht auf einem Träger aus anderem Material aufgebracht war. Der Gürtel wurde vor seiner Deponierung zerschnitten bzw. wie das unregelmäßige Ende an Nr. 1a andeutet, zerrissen. Da sich nicht alle Blechfragmente direkt aneinander anpassen lassen, sind wahrscheinlich nicht alle Fragmente des Gürtels erhalten geblieben. a) Ende des Blechgürtels (E. Nr. 1998/28a ). Asymmetrisch
dreieckig zulaufendes Ende mit Lochung. Im Bereich des Loches Sinter-/Brandspuren.
Am anderen, fragmentierten Ende Reste einer Kreisverzierung und Dreiecksschraffur,
an Blech b anpassend. L. 83,9 mm; B. 25,3 mm; D. 0,08 mm; Gewicht 2,6 Gramm.
2. Goldblech mit spitz zulaufenden Enden (E. Nr. 1998/29a; Abb.
3; Taf. 2). Das diademartige Goldblech wurde zusammen mit sieben Anhängern
in einem bereits zerfallenen Erdbrocken gefunden. Das längere Blech
war zweimal Z-förmig gefaltet, der kürzere Blechteil einmal.
In der Falte des längeren Bleches befanden sich die sieben Anhänger
(Nr. 3).
3. Sieben Anhänger aus Goldblech (E. Nr. 1998/29b1-7; Abb.
4; Taf. 2). Die Anhänger waren ursprünglich in das spitzovale
Goldblech (Nr. 2) eingewickelt.
4. Verziertes Goldblechfragment (E. Nr. 1998/38 a; Abb. 5; Taf. 3)
5. Dick zusammengefaltetes Goldblech (E. Nr. 1998/38 b; Abb. 5; Taf.3).
6. Goldblechteile, die ursprünglich um ein oder mehrere stabförmige Gebilde gewickelt waren (Abb. 6; Taf. 2; Taf. 6). a) Eingerolltes Goldblechfragment (E. Nr. 1998/28g). Flächig
mit in Reihen angebrachten Punkten verziert. An der Kante kleiner, angeschmolzener
Blechrest. L. 23,4 mm; B. 25,3 mm; D. 0,08 mm; Gewicht 2,3 Gramm.
7. Nadel aus Goldblech mit Plattenkopf (E. Nr. 1998/40b; Abb. 7; Taf.
3). Die Nadel war bei der Auffindung vollständig in einen Klumpen
aus Lehm-/Sandgemisch eingebettet. Hierfür wurde der Schaft sieben
mal geknickt, so daß die Gesamtlänge bei der Einbettung 72 mm
betrug.
8. Großes, kronenartiges Diadem aus Goldblech mit Aufsätzen
(E. Nr. 1998/39b; Abb. 8; Taf. 4). Das Diadem war bei der Auffindung vollkommen
zu einem Ballen zusammengefaltet (Taf. 1). Die Ummantelung aus einem Lehm-/
Sandgemisch war bereits weitgehend zerfallen. Der Ballen ließ sich
zunächst in Längsrichtung aufrollen. Danach zeigten sich die
um das Reifblech des Diadems gewickelten zungenförmigen Aufsätze
unterschiedlicher Länge, die nach umfänglicher Dokumentation
des Zwischenzustandes ausgerollt wurden.
9. Sechs durchbohrte Bernsteinstücke (E. Nr. 1998/ 1999/17a-d;
Abb. 9; Taf. 6)
Die Auswertung des Fundes beschränkt sich vorwiegend auf die Fundanalyse, da über die ursprüngliche Befundsituation bedauerlicherweise keine Aussagen mehr getroffen werden können. Von der Vergrabung der Objekte sind immerhin zwei Details rekonstruierbar: Alle größere Objekte wurden zur Niederlegung entweder sorgfältig zusammengefaltet oder, wie der Gürtel, möglicherweise zerschnitten. Bei mehren Stücken war der Auffindungszustand noch so unversehrt, daß man eindeutig feststellen konnte, daß sie vor der Niederlegung jeweils in ein Lehm-/ Sandgemisch eingebettet wurden (Taf. 6). Man sieht sich hier erinnert an die im ostmediterranen Raum vereinzelt belegten Einbettungen von bronzezeitlichen Silberblechvotiven in Tonhüllen . Bei den geborgenen Goldblechen handelt es sich um eine nahezu vollständige
Tracht-Ausstattung der Bronzezeit mit Kopfschmuck, Brustschmuck, Gürtel
und Nadel. Offensichtlich verloren gegangen sind kurze Teile des Gürtels
sowie die Abschlüsse des Bleches Nr. 4, das zu einem Armschmuck gehört
haben mag. Eine zweite Nadel muß man für die ursprüngliche
Ausstattung nicht voraussetzen. Wann die Teile verloren gingen, ob bereits
in der Antike vor der Niederlegung oder erst bei den Rodungsarbeiten, läßt
sich nicht feststellen.
Form 1(groß) Form 2 (mittel) Form 3 (klein) Nr. 1 Gürtel - >31 -
Tabelle 1. Vorkommen identischer Kreispunzen (vgl. Taf. 76)
Die ersten Röntgenfluorenszenzanalysen des Goldes ergaben, daß die Bleche aus nahezu reinem Gold bestehen . Neben dem Hauptbestandteil Gold ließen sich Kupfer und Zinn lediglich mit einem Anteil von jeweils unter 0,5%, Silber unter 0,2% nachweisen. Bestätigt wird das Ergebnis durch die Messung der Dichte, die derjenigem von reinem Gold entspricht, sowie durch begonnene Untersuchungen mit Mößbauerspektroskopie , bei denen auch die Zusammensetzung im Inneren des Objektes erfaßt wird. Es ist nahezu ausgeschlossen, daß ein so niedriger Silbergehalt in Fluß- oder Berggoldvorkommen auftritt. Es muß daher davon ausgegangen werden, daß das Gold geschieden wurde. Da dieser Vorgang technisch sehr kompliziert ist, kann eine lokale Herstellung des Goldes ausgeschlossen werden. Es gibt hierfür nur ein in der Antike belegtes Verfahren, die sogenannte Zementation mit Salz . Dabei handelt es sich um einen Glühprozess der Gold-Silberlegierung mit verschiedenen Zusätzen, vor allem mit Kochsalz. Die Scheidung erfolgt durch die Bildung von Silberchlorid (AgCl). Das Verfahren ist nur in zwei antiken Schriftquellen erwähnt: bei Plinius d.Ä. [33,84] und bei Diodorus Siculus, der einen früheren Reisenden namens Agatharchides zitiert. Agatharchides berichtet über den ägyptischen Goldbergbau wohl der Zeit um 500 v.Chr.: „Zuletzt nehmen geschickte Werkleute das Gewonnene und füllen es nach festem Maß und Gewicht in irdene Tiegel, mischen es nach Gewicht mit Blei und Zinn, Klumpen von Salz und ein wenig Zinn und fügen Gerstenkleie hinzu; darauf setzen sie einen gut passenden Deckel und verschmieren ihn sorgfältig mit Schlamm. Sie backen es in einem Ofen, fünf Tage und ebensoviele Nächte. Am Ende der Periode, wenn sie die Tiegel haben abkühlen lassen, finden sie keine Rückstände anderer Materialien in den Tiegeln außer dem Gold. Dies ist in reiner Form, und die Verluste sind nur gering.“ Wenngleich die dort beschriebenen Zugaben der Rezeptur in ihrer Wirkung
zum Teil kontraproduktiv sind, zeigt die Quelle jedoch, daß Mitte
des ersten Jahrtausends v.Chr. in Ägypten der Zementationsprozess
bekannt ist. Bei der Frage nach dem Ursprung dieser Erfindung wird üblicherweise
der älteste Beleg aus dem Tempelbezirk Pactolus Nord in Sardis angeführt
. Hier konnten die Reste von mehreren metallurgischen Öfen ausgegraben
werden, stratigraphisch datiert an den Übergang vom 7. zum 6. Jahrhundert
v. Chr. Zwei Öfen davon können eindeutig mit der Anwendung des
Zementationsverfahrens in Verbindung gebracht werden.
Interpretation
und kultureller Zusammenhang
Die Goldbleche von Bernstorf stehen als Objekte im bronzezeitlichen
Fundmaterial Südbayerns einzig da. Auch nur annähernd Vergleichbares
kann man bei der antiquarischen Analyse unter dem einheimischem Material
kaum finden. Betrachtet man jedoch die Verzierungsmuster, so ist der Fund
durchaus einem Handwerker aus dem mitteleuropäischen Raum zuzuweisen.
Winkeldreiecke und Kreisaugen kennt man von einheimischer Keramik
der Bronzezeit in großer Anzahl . Fein schraffierte Winkeldreiecke
sind auf einem Stirnband aus Bronzeblech aus Raisting belegt .
Die Idee des Diadems geht auf die Hochkulturen des östlichen Mittelmeerraumes und des Vorderen Orients zurück. Hier sind spitzovale Goldbleche durch Grabfunde häufig als am Kopf getragene Diademe belegt. Sie wurden mit Drähten oder Fäden, die durch Löcher oder kleine Schlaufen an den Enden der Diademe gezogen wurden, am Kopf befestigt. Der geographische Raum umfaßt den gesamten östlichen Mittelmeerraum, von Assur über Megiddo und Anatolien bis in den ägäischen Kreis. Eine kurze Zusammenstellung der ägäischen Blechdiademe aus Gold und Silber erfolgte zuletzt bei der Vorstellung des mittelbronzezeitlichen Schachtgrabes von Ägina . Die ältesten, frühbronzezeitlichen Diademe aus Gold- und Silberblech stammen demnach aus Kreta und von den Kykladen . In den Stufen Frühminoisch II-III sind auf Kreta zwei Formen verbreitet: relativ schmale, gleichbreite Bänder und Bänder, die in der Mitte asymmetrisch verbreitert sind. Das Auftreten von Diademen ist jedoch auch dort nicht originär. Ebenfalls aus der frühen Bronzezeit sind entsprechende Objekte aus Kleinasien, Anatolien, dem Vorderen Orient und Ägypten bekannt. Spektakuläre Beispiele sind die trojanischen Diademe aus dem Schliemannschen Schatz . Aufgrund der hohen Mittelbereiche der Diademe vermutet man, daß sie an einem textilen Träger befestigt oder zur Verzierung von Kultfiguren bestimmt waren . Während der Schachtgräberzeit kommt es dann zu reichhaltigen dekorativen Ausgestaltungen von Diademen. Drei Formengruppen lassen sich unterscheiden: 1. Schmale Bänder mit einfachen Rapportmustern; 2. In der Mitte leicht verbreiterte Bänder mit betontem Mittelmotiv; 3. Spitzovale Diademe mit Rosetten und Kreismustern, meist auf die Mitte bezogen . Die größte Anzahl der in die Schachtgräberzeit zu datierenden Diademe wurde in Mykene geborgen. Sie stammen dort aus den Gräbern der adeligen Führungsschicht, auf die der erste Palastbau Mykenes zurückgeht. Nach allgemeiner Übereinstimmung lebten diese Adeligen, ähnlich wie in den Reichen Anatoliens und Ägyptens in einer Art von Sakralkönigtum, das sich in der besonderen Grabausstattung am eindrucksvollsten in den großen goldenen Totenmasken spiegelt . Aus den Gräbern des Gräberrundes A und B von Mykene stammen zahlreiche Diademe, die überwiegend als Totenschmuck für Frauenbestattungen dienten und für das Begräbnis vermutlich auf den in Tücher gehüllten Leichnamen angebracht wurden. Besonders zahlreich sind spitzovale Diademe mit Kreis- und Rosettenverzierung, zum Teil auch nur mit einfachen Kreisbuckeln und punktgesäumtem Rand (Grab ?? . Manche dieser Diademe wurden wie der Reif des Bernstorfer Diadems (Nr. 8) aus zwei einzelnen Blechstreifen hergestellt . Daneben kommen auch mehrere Diademe mit Fortsätzen vor, die nach den Angaben Schliemanns zumeist auf dem Kopf der Verstorbenen angetroffen wurden . Am bekanntesten und von der Ornamentaufteilung durchaus dem Bernstorfer Stück ähnlich ist das sogenannte Strahlendiadem aus dem Gräberrund A, Grab III . Andere Diademe tragen Aufsätze in Form von Sternen oder vegetabilen Blütenkelchen . Einzeln in den Gräbern angetroffene zungenförmige Bleche mit Kreisbuckelverzierung und abgerundetem Ende wie aus Grab ??(Gräberrund B) waren ursprünglich wohl ebenfalls Fortsätze von Diademen ?? Die Diademe von Mykene müssen als Fortsetzung einer Tradition gesehen werden, die noch bis in die frühminoische Zeit zurückgeht. Ein Diadem mit drei senkrecht befestigten Blechstreifen wurde zusammengefaltet in einem Silbergefäß über der antik wiedererrichteten Ostwand des Grabes VI von Mochlos auf Kreta gefunden (Abb. 10) . Vom gleichen Fundort stammt ein Diadem mit ursprünglich fünf Appliken, die wie beim zuvor erwähnten Stück aus Grab VI durch Schlitze im Blech befestigt waren, sowie weitere einzelne Aufsatzteile . Das Diadem aus Grab VI gehörte vermutlich zur ursprünglichen Grabausstattung der Zeit Frühminoisch II/III. Wenngleich aufgrund der Stratigraphie auch eine mittelminoische Zeitstellung erwogen werden könnte, ist der Fund aus zwei Gründen im Vergleich zu dem Bernstorfer Stück besonders interessant. Zunächst stimmen die Konstruktionen verblüffend überein. Die senkrecht angebrachten Blechstreifen sind auch hier zur Befestigung durch einen Schlitz im Reif geführt. Der zweite Aspekt betrifft die Niederlegung: getrennt von der Bestattung in einem Gefäß, wobei das Diadem sorgfältig zusammengefaltet wurde. Das Diadem wurde demnach nicht als reine Totenausstattung für den oder die Verstorbene geschaffen, sondern hatte einen ursprünglichen Verwendungszweck außerhalb des Grabkultes. Die Form der spitzovalen Totendiademe hält sich in Griechenland sehr lange. Nach der Schachtgräberzeit entsteht, wohl durch das Totenritual bedingt, eine Überlieferungslücke. Eine Renaissance erleben die Diademe im Grabbrauch des 8.?7. Jahrhundert v.Chr. So wurden in Sindos zahlreiche dieser goldenen Blechdiademe ausgegraben . Neben der Verwendung im Totenkult, wo sie vor allem hochgestellte Persönlichkeiten kennzeichnen, spielen Diademe und Kronen als Attribute von Göttern und Priestern im östlichen Mittelmeerraum eine wichtige Rolle . Die frühesten Belege für Götterkronen, sog. Poloi, finden sich in minoischer Zeit. Die bekanntesten Beispiele sind die fünf Idole von Gazi, gedeutet als Götterfiguren. Die größte Figur trägt ein Diadem mit drei hochgestellten Mohnkapseln . Vergleichbare Diademe lassen sich bei den Idolen von Gortyn , den subminoischen Terrakottafigürchen aus dem Höhenheiligtum von Karphi und bei protogeometrischen Idolen belegen. Obwohl die meisten der antiken Kultstatuen verloren sind, gibt es auch hier, meist aufgrund antiker Beschreibungen, mehrere Belege für das Schmücken der Standbilder mit Diademen, die mit vegetabilen oder figürlichen Aufsätzen versehen sind: Die Krone des Kultbildes der Nemesis von Rhamnus war mit Hirschen und kleinen Nikefiguren verziert, das Kultbild der Artemis von Delos besaß einen Kranz aus Gold und Ulmenholz mit zehn Niken auf dem Haupt, die Hera von Chalkis wurde bereits im 4. Jahrhundert v.Chr. auf Münzbildern mit einer dreifachen Perlenkrone oder einem Diadem mit fünf menschlichen Köpfen dargestellt und gilt damit als eines der Vorbilder für die in der römischen Kaiserzeit beliebten Büstenkronen . Unter den Funden aus Mykene befinden sich noch andere Objekte, die im Komplex von Bernstorf wiederkehren. So kann eine formale Ähnlichkeit der Anhänger (Nr. 3) zu Goldblechanhängern in Form von auf die Spitze gestellten Quadraten festgestellt werden . Zu dem Befund des mit Goldblech umwickelten Stabes (Nr. 6) lassen sich Goldhülsen und spiralförmige Stabumwicklungen anführen . Dabei soll nicht unerwähnt bleiben, daß in zwei Gräbern des Gräberrundes A von Mykene auch eine große Anzahl an Bernsteinperlen gefunden worden. Im Männergrab V waren es etwa 100 Stück, im Frauengrab IV gar eine „Unmenge“, nach dem Inventar 1290 Bernsteinperlen . Isolierte Goldfunde sind aufgrund ihrer möglichen langen Verwendungsdauer
immer schwer zu datieren. Einen ersten Anhaltspunkt gibt das kalibrierte
14C Datum mit einem Spielraum von 1400-1100 v.Chr. Da die ursprüngliche
Bodenlagerung nicht genau bekannt ist, kann durch eine Kontamination der
Probe das Datum ohne weiteres zu niedrig sein.
Die Nadel Nr. 7 ist im Fundgut der Bronzezeit ungewöhnlich, könnte
aber mit Einzelstücken aus Bronze verglichen werden. Eine Plattenkopfnadel
mit Punktverzierung gibt es am Ende der Frühbronzezeit in Straubing
. Sie läßt sich aber auch auch in den Umkreis der Nadeln mit
spatelförmigem Kopf im Karpathenbecken stellen, die dort in die jüngere
Vatya-Kultur datiert werden können, nach süddeutscher Terminologie
in die Frühbronzezeit Reinecke A1/A2 . Daß zu der Kopfform
der Goldnadel keine direkten Parallelen genannt werden können, liegt
wohl an der einfachen Machart, die durch die einfache Faltung des Bleches
und das erforderliche Umknicken nach hinten zu dieser etwas ungewöhnlichen
„fünfeckigen“ Kopfplatte geführt hat. Sofern die Torsion des
Schaftes nicht nur der Stabilisierung des fragilen Bleches diente, kann
man Nadeln mit tordiertem Schaft aus vielen Bereichen nennen. Formal ähnlich,
aber dies muß wohl als Zufall angesehen werden, sind Plattenkopfnadeln
mit tordiertem Schaft und Punktverzierung aus Nordostkaukasien .
Betrachtet man andere Goldfunde der Bronzezeit so muß man zunächst
einen Vergleich mit dem Motivschatz der jüngerbronzeitlichen Goldfunde
anstellen. Zu den Mustern der spätbronzezeitlichen Goldhüte zeigt
sich ein deutlicher Unterschied . Sowohl der Variantenreichtum der aus
mehreren konzentrischen Kreisen bestehenden Punzen, Radpunzen, Punktreihen
und eng gestrichelten Bändern als auch die Herstellungstechnik mit
Metallpunzen zeigt, daß sich hier zum Bernstorfer Fund kein Einklang
herstellen läßt.
Am augenfälligsten und für die Datierung heranzuziehen ist der Bezug der Fundstücke zu Objekten der Schachtgräberzeit des ägäischen Kreises, also etwa dem 16. Jahrhundert v.Chr . Das Zentrum Mykene strahlt im 16. –15. Jahrhundert weit in das Karpathenbecken aus. Bis in die Slovakei kommt es zu einer Ausprägung protourbaner Strukturen. Im Bereich der Nagyrév, Hatvan, Ottomány und Maros Kultur entstehen am Ende der dortigen Frühbronzeit (FB3) Tellsiedlungen, in denen sich oft ostmediterrane Beziehungen nachweisen lassen . Das Ende dieser Siedlungen fällt in die sogenannte Vatya-Koszider Phase. Die dort bereits als entwickelte Mittelbronzezeit zu bezeichende Phase (MB2–3) kann bei uns mit dem Übergang zur Lochham-Stufe gleichgesetzt werden (A2–B1). Als geradezu regelhaft ist das Auftreten von Depots in den jüngsten Siedlungsschichten der Tell- und Höhensiedlungen zu bezeichnen . Bei diesen sogenannten Koszider Depotfunden handelt es sich in der Mehrzahl um die Deponierung von Trachtzubehör und Schmuck, wobei Golddepots aus mehreren Siedlungen des östlichen Karpathenbeckens bekannt sind, z.B. Kengyel, Jászdózsa, Spiãský Ãtvrtok oder Barca . Diese Funde sind Ausdruck für die dort lebende Oberschicht. Die Verhältnisse des Karpathenbeckens ähneln so stark dem in Bernstorf angetroffenen Befund, daß man versucht ist, von einem westlichsten Ausläufer dieses Phänomens zu sprechen. Leider sind die Fundumstände in Bernstorf durch die starken neuzeitlichen Zerstörungen so fragmentarisch, daß sich diese Aussage derzeit nur durch Indizien belegen läßt. Hierzu zählt die Zerstörung der Befestigungsanlage zwischen dem 16. und 14. Jahrhundert v.Chr., wobei eine eventuelle Mehrphasigkeit der Holzmauer bislang nicht abgeklärt ist . Die Brandspuren an dem Goldfund, der ja ganz in der Nähe des Walles vergraben wurde, könnten mit der Zerstörung der Mauer in Zusammenhang stehen, einen direkten Zusammenhang zu fordern verbietet sich aufgrund des Fehlens eines entsprechenden Befundes. Ob es sich dabei um ein lokales Ereignis handelt oder eine Gleichzeitigkeit mit den Ereignissen im Karpathenbecken handelt, müssen weitere Untersuchungen der Befestigungsanlage abklären. Bereits die hier vorgelegten ersten Auswertungen, die zu dem Fund vorgenommen
werden konnten, zeigen, daß es sich bei dem Ensemble um einen für
die bayerische Landesgeschichte und die bronzezeitliche Religionsgeschichte
Alteuropas außergewöhlichen Fund handelt. Nach der ersten Analyse
wurden die Objekte im mitteleuropäischen Bereich unter Verwendung
importierter Goldbleche gefertigt.
Unwahrscheinlich ist, daß die Goldbleche – wie die oben häufig angeführten Vergleichsstücke aus Mykene – lediglich Verwendung im Totenkult fanden. Man müßte bei dieser Interpretation davon ausgehen, daß die Totenausstattung vor der Bestattung vom Leichnam entfernt und anschließend getrennt vergraben wurde. Eine Erklärung für die Brandspuren am Gold ergäbe sich nur für den Fall einer Verbrennung, bei der die Gegenstände sogar vom brennenden Scheiterhaufen vorzeitig entfernt worden sein müßten. Solche Bräuche wären für die mitteleuropäische Bronzezeit meiner Einschätzung nach jedoch singulär. Eher wahrscheinlich ist es, daß es sich bei den Gold- und Bernsteinobjekten
von Bernstorf um die Bestandteile eines Kultgewandes handelt. Kultgewänder
können Kleidung entweder für Personen oder Bildwerke sein. Geht
man einmal von einem lebenden Menschen als Träger aus – einem Priester
oder einer Person als Inkarnation einer Gottheit –, so stellt die Fragilität
der Nadel ein Problem dar. Die Nadel konnte niemals als Kleidungsbestandteil
getragen werden, und selbst als eine Art Schaustück kann sie nur mit
äußerster Vorsicht präsentiert werden, ohne abzuknicken.
Alles in allem hätte der potentielle lebende Träger dieses Kultgewandes
kaum Bewegungsfreiheit. Wir könnten uns ihn – oder sie – nur sehr
statuarisch agierend vorstellen. Dieses Bild paßt zwar zu den die
Bewegungsmöglichkeiten ihres Trägers ebenfalls stark einschränkenden
urnenfelderzeitlichen Goldhüten oder des goldenen Capes von Mold (Flintshire,
Wales) , doch bleiben auch bei diesem Interpretationsmodell die Brandspuren
ohne eine rechte Erklärung.
Vorbilder für solche Kultbilder lassen sich im ägäischen Raum finden . Bereits 1901 konnte Sir Arthur Evans abstrakte Kultbilder im minoisch-mykenischen Raum aussondern, zu denen auch heute nicht erhaltene Holzskulpturen zu zählen sind . Eine beeindruckende Vorstellung von derartigen Bildwerken gibt die tönerene, nahezu lebensgroße Frauenfigur aus dem Tempel von Ayia Irini, Kreta . Bis in archaische Zeit bleiben im griechischen Raum einfache pfeilergestaltige Kultbilder aus Holz oder Stein neben anthropomorphen Objekten im Gebrauch . Objekte aus anderem Material konnten an ihnen angebracht sein (Gesichter, Füße, Locken), und letztlich wurden auch sie, wie später die klassischen, figürlichen Kultbilder, mit vornehmen, geweihten Gewändern bekleidet . Der Goldfund von Bernstorf ist ein für Südbayern unerwartetes
Beispiel mediterraner Fernbeziehungen während der Bronzezeit . So
ist sowohl die Herkunft des Goldes als auch die Idee der Ausstattung nur
aufgrund eines direkten Kontakt zur ägäischen und ostmediterranen
Welt denkbar. Bislang sind im südbayerischen Bereich derartige weite
Fernbeziehungen zum Mediterraneum immer nur ausschnittsweise belegt. Als
Beispiele seien genannt Bernsteinschieber, unserem Fundort zunächst
gelegen derjenige von Asenkofen , ein gemustertes Tonobjekt aus Freising
im Stil der Mad`arovce oder Polada-Kultur oder auch eine mykenische Fayenceperle
(Taf. 8) aus Pörndorf bei Landshut . Angesichts der geringen Zahl
der Objekte ist die Richtung der Kulturströmung nicht eindeutig. Eine
Anbindung über das Isartal zum mittleren Donauraum erscheint am plausibelsten,
ausschließen möchte man jedoch auch nicht eine direkte Anbindung
über die Alpen hinweg zum Mittelmeerraum .
Abb. 1: Sekundäre Lage der Fundstücke im Bereich der
zusammengeschobenen, gerodeten Baumstümpfe. Schematische Darstellung,
Grenze der untersuchten Fläche gestrichelt.
TAFEL 1
TAFEL 2
TAFEL 3
TAFEL 4
TAFEL 5
TAFEL 6
TAFEL 7
TAFEL 8
Quelle:
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